Meinung

Verloren in Illusionen: SPD-General Kühnert will mit weiteren Waffenlieferungen Russland besiegen

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert äußerte sich im "ZDF"-Interview zu Waffenlieferungen an die Ukraine: Sie führten zu Frieden. Gleichzeitig zögen sie den Krieg in die Länge und der Westen habe kaum noch Material. Die Widersprüchlichkeit dieser Argumente verdeutlicht, wie sehr deutsche Politik einer Illusion verfallen ist.
Verloren in Illusionen: SPD-General Kühnert will mit weiteren  Waffenlieferungen Russland besiegenQuelle: www.globallookpress.com © Swen Pförtner / dpa

Von Gert Ewen Ungar

Der SPD-Generalsekretär hat dem ZDF ein Interview gegeben, in dem er die Haltung der SPD zu weiteren Waffenlieferungen erläutert. Waffenlieferungen seien wichtig, glaubt Kühnert, denn sie versetzten die Ukraine in eine günstigere Verhandlungsposition.

Das Interview ist ein Dokument einer der Realität vollkommen entrückten deutschen Außenpolitik. Kühnert macht deutlich, dass er die Mechanismen und Dynamiken einer militärischen Unterstützung nicht verstanden hat. Denn in der Auseinandersetzung mit Russland verbessern diese die Position der Ukraine nicht, sondern verschlechtern sie.

Die Realitätsferne seiner Analyse ist jedoch nicht nur für Kühnert und die SPD kennzeichnend. Sie ist inzwischen zum Markenzeichen deutscher Außenpolitik geworden, die aufgrund von falschen Annahmen nur noch zu falschen Schlüssen kommen kann. Deutschland hat sich in der eigenen Erzählung über sich und seine Stellung in der Welt völlig verloren.

Die Entscheidung, Leopard-2-Panzer zu liefern, sei richtig gewesen, verteidigt Kühnert den Kanzler. Die Panzer würden die Position der Ukraine gegenüber Russlands verbessern, glaubt er. Dass die Waffenlieferungen den Krieg verlängern, ist Kühnert dabei sogar klar. Er gibt es unumwunden zu. Sie seien dennoch notwendig, denn es gelte, Russland Grenzen aufzuzeigen.

Das ist angesichts der Entwicklung des Konfliktes eine ganz erstaunliche Feststellung, und gegenüber Russland eine unfassbare Anmaßung. Hat Kühnert nicht mitbekommen, dass die bisherigen Waffenlieferungen zu einer immer umfassenderen Zerstörung der Ukraine geführt haben? Glaubt der Generalsekretär der SPD tatsächlich, die Ukraine könnte durch westliche Waffenlieferungen einen militärischen Sieg über Russland erringen? Glaubt Kühnert angesichts des besonderen Verhältnisses Deutschlands zu Russland, Deutschland sei moralisch berechtigt, Russland von Deutschland gesetzte Grenzen aufzuzeigen?

Die Position Kühnerts ist erschreckend naiv, geschichtsvergessen und zudem einfach gefährlich ignorant gegenüber der übergroßen Zahl all jener Militärexperten, die einen militärischen Sieg der Ukraine ausschließen. Kühnert folgt hier einer Strategie, die in Deutschland inzwischen zur Staatsraison erhoben wurde. Jede Information, die nicht die Regierungspolitik stützt, wird einfach ignoriert. Lässt sie sich nicht ignorieren, wird sie wahlweise als russische Propaganda oder Verschwörungstheorie abgetan. Kühnert streut dem deutschen Publikum hinsichtlich der wahrscheinlichen Ereignisse einer militärischen Unterstützung der Ukraine Sand in die Augen.  

Der SPD-Generalsekretär ist sich sicher: Würde der Westen keine Waffen liefern, gäbe es noch vereinzelte Kämpfe in Kiew, Millionen Tote, ansonsten wäre die Ukraine von Russland vollständig eingenommen. Wie viele andere deutsche Politiker behauptet Kühnert, die strategischen Ziele Russlands zu kennen. Und er führt mit dieser Behauptung die Deutschen in die Falle einer immer weitergehenden Eskalation.

Man muss es ganz deutlich sagen: Weder Kühnert noch ein anderer deutscher Politiker kennt die strategischen Ziele Moskaus genau. Dass Russland die gesamte Ukraine einnehmen will, ist aber mehr als unwahrscheinlich und entspricht auch nicht der bisherigen Entwicklung auf dem Schlachtfeld. Moskau hat sich mehrfach zu den Kriegszielen geäußert. Die Einnahme des gesamten Landes ist keines dieser Ziele. Dessen ungeachtet nimmt deutsche Politik diese durch nichts belegbare Behauptung zur Grundlage für weitreichende politische Entscheidungen.  

Kühnert gibt vor, mit deutschen Waffenlieferungen der Ukraine zu einer günstigeren Position am Verhandlungstisch verhelfen zu wollen. So ließe sich ein "Diktatfrieden" vermeiden, heißt es. Dabei wird mit jedem Tag deutlicher, dass die immer weitergehenden Waffenlieferungen zu einer bedingungslosen Kapitulation der Ukraine führen werden. Russland besitzt die militärische Fähigkeit, die Eskalationsschritte des Westens mitzugehen. Weitere Waffenlieferungen führen daher zu einer lediglich weitergehenden Zerstörung der Ukraine, die ukrainische Armee wird aufgerieben, ihr Arsenal zerstört. Dadurch erhöht sich der Preis auch für Deutschland und die EU. Indessen besitze der Westen kaum noch Eskalationsfähigkeit, gibt Kühner zu. Die Lager seien leer, die Vorräte erschöpft.

Die deutsche Strategie, wie sie Kühnert skizziert, ist voll von offenen Widersprüchen. Schon aus diesem Grund ist es verständlich, wenn eine große Zahl von Bürgern dem Bundeskanzler hinsichtlich seiner Ukraine-Politik nicht vertraut. Die Politik der immer weitergehenden Waffenlieferungen durch die  Bundesregierung ist in ihrer sichtbaren Widersprüchlichkeit sowie mit ihren absehbaren Auswirkungen auf die Ukraine schlicht nicht vertrauenswürdig. 

Russland hat mehrfach deutlich gemacht: Je größer die Reichweite der vom Westen gelieferten Waffen ist, desto weiter wird die ukrainische Armee zurückgedrängt werden und desto umfassender werden die Zerstörungen ausfallen. Die Lieferung von immer mehr Waffen führt daher zu genau dem Gegenteil von dem, was Kühnert sich von ihnen erwartet. Sie führt zur vollständigen Zerschlagung der ukrainischen Armee, der kompletten Demilitarisierung der Ukraine. Und sie führt vor allem zu einer immer schwereren moralischen Schuld Deutschlands. Kühnert gibt das zu. Deutschland zieht den Krieg in die Länge, treibt das Leid und die Zahl der Opfer in der Ukraine mit seiner harten Haltung gegenüber Russland in die Höhe. Die Hauptleidtragende der Politik Kühnerts und seiner deutschen Kolleginnen und Kollegen, das muss ganz deutlich gesagt werden, ist nicht Russland, sondern die Ukraine. Es steht außer Frage, dass Deutschland sich dafür eines Tages rechtfertigen muss. 

Kühnert vertritt mit seiner Position zu Waffenlieferungen nicht die vitalen Interessen der Ukraine. Er vertritt auch nicht die Interessen der Deutschen. Im Gegenteil, er greift zum Mittel der Täuschung über die angeblichen Kriegsziele Russlands, um die immer weitergehende Eskalation des Konflikts durch Deutschland moralisch zu legitimieren.

Dabei muss klar sein, dass diese immer weitergehende Eskalationspolitik letztlich zu dem führen, wird, was Kühnert angeblich vermeiden möchte und für die Ukraine für unzumutbar hält: deren bedingungslose Kapitulation. Denn auch das hat Deutschland und der Westen mit seiner Absage an Gespräche, seiner Sabotage von Minsk 2 sowie von Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau gezeigt: Es gibt im Westen niemanden, mit dem aus russischer Sicht glaubwürdige Verhandlungen möglich wären. 

Da weder der Westen noch die Ukraine Verhandlungsbereitschaft signalisieren, läuft alles auf eine bedingungslose Kapitulation durch einen militärischen Sieg Russlands hinaus. Der Diktatfrieden wird damit immer wahrscheinlicher. Zumal der Westen überhaupt nicht liefern und seine vollmundigen Versprechen gegenüber dem Kiewer Regime nicht halten kann. 

Kühnerts Aussagen zeigen deutlich, wie sehr deutsche Politik von völlig irrigen Annahmen ausgeht, so zu völlig falschen Schlussfolgerungen kommt und am Ende zu politischen Entscheidungen gelangt, die für die Ukraine verheerend und destruktiv sind. Man kann allerdings in einem sicher sein: Für die vergiftete deutsche Unterstützung wird sich die Ukraine eines Tages gegenüber Deutschland revanchieren. 

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