Meinung

Staatsbesuch von Xi Jinping: China und Saudi-Arabien beginnen ihre strategische Partnerschaft

Der Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Saudi-Arabien dauerte drei Tage und umfasste zahlreiche inhaltliche Termine, wie etwa auch die Unterzeichnung einer Liste von Abkommen im Namen der neuen strategischen Partnerschaft. Präsident Xi benutzte in seinen Reden in Riad und bei dem arabisch-chinesischen Wirtschaftsforum, zu welchem rund 30 arabische Staatschefs angereist waren, mehrfach den Begriff Multipolare Konstellation.
Staatsbesuch von Xi Jinping: China und Saudi-Arabien beginnen ihre strategische PartnerschaftQuelle: AFP © SPA

Gastkommentar von Dr. Karin Kneissl

Sich für einen Besuch Zeit zu nehmen, ist in den internationalen Beziehungen unserer Zeit sehr selten geworden. Im Gegensatz zu den Expressterminen westlicher Politiker, die weder ihre Gespräche vertiefen noch Vertrauen bilden können, nimmt die Volksrepublik China Besuchsdiplomatie noch sehr ernst. Und dazu gehört nicht nur das große Protokoll, wenn Gäste China besuchen. Zur Form gesellt sich der Inhalt. China ist auf dem Sprung zur größten Volkswirtschaft. Nun geht es darum, auch geopolitisch zu wirken. Am Beispiel der neuen Qualität der arabisch-chinesischen Zusammenarbeit lässt sich manches für die aktuellen Umbruchszeiten ableiten.

 "Strategische Partnerschaft" ist mehr als ein Begriff

Der Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Saudi-Arabien dauerte drei Tage und umfasste zahlreiche inhaltliche Termine, wie etwa auch die Unterzeichnung einer Liste von Abkommen im Namen der neuen strategischen Partnerschaft. Peking treibt solche Abkommen konsequent voran, dies galt auch für die letzten zehn Jahre in Europa, wo im Rahmen des früheren Formats "17 plus 1" Peking derartige Partnerschaften multilateral mit Staaten der Europäischen Union (EU) – wie Ungarn oder Griechenland – aber auch mit Staaten außerhalb der EU – wie Serbien – abschloss. Nicht jeder war für diese institutionelle Vertiefung, und spätestens seit Mai 2019, als die EU die Volksrepublik China zum "systemischen Rivalen" erklärte, kracht es inzwischen im Gebälk.

Anders präsentiert sich die heutige Lage in der arabischen Welt, die traditionell im Englischen als "Middle East" bezeichnet wird. Selbst dieser Begriff ist vom kolonialen Blick geprägt. Denn von London aus betrachtet, ist diese Region eben der "Mittlere Osten". Von der Warte Berlins, Roms oder anderer europäischer Hauptstädte war das wiederum stets der "Nahe Osten". Und diese Region kann Europa tatsächlich verdammt nahe sein, wie sich spätestens mit der verstärkten Migration aus der arabischen Welt seit den 1990er Jahren zeigt. Hinzu kamen der "war on terror" der USA, dem sich neben der EU viele weitere Staaten anschlossen. Die arabisch-islamische Welt war spätestens mit den Anschlägen vom 11. September zum Feindbild schlechthin geworden. Doch harmonisch war das Verhältnis nie. Bis heute wird die Erdölkrise vom Oktober 1973 bemüht, um das Bild von der "Erpressung des Westens durch die Ölscheichs" zu bedienen. Bestimmte Stereotypen halten sich hartnäckig. Und westliche Medien sowie auch die "Denkfabriken" haben ihren Anteil daran, dass sich daran wenig ändert. Bezeichnend ist die Funkstille vieler westlicher Redaktionen zu dem chinesischen Besuch, weil sie offensichtlich nicht erfassen, welche Folgen die neue chinesisch-arabische Zusammenarbeit zeitigen könnte.

Die Welt dreht sich zusehends schneller. Dass sich hierbei eine neue multipolare Konstellation herausbildet, ist auch die Sichtweise in China. Den Begriff verwendete Präsident Xi mehrfach in seinen Reden in Riad und bei dem arabisch-chinesischen Wirtschaftsforum, zu welchem rund 30 arabische Staatschefs angereist waren. In der UNO-Terminologie heißt diese Region "Westasien".

Das asiatische Zeitalter zeigt sich auch in diesen vielen Handelsverträgen, in neuen Eisenbahnen quer über die Arabische Halbinsel und in neuen Handelskorridoren. Noch dominieren die USA als Waffenlieferanten die Handelsbeziehungen mit den Staaten dieser Region, doch die Handelsvolumina zwischen Peking und Riad wachsen, wenngleich mit einem aktuellen Defizit von 30 Milliarden US-Dollar zu Lasten Chinas. Dieses Defizit mittels neuer Projekte von der Energiewirtschaft – so auch die seit 2016 laufende nukleare Kooperation – über Digitalisierung bis hin zum Verkehrswesen auszugleichen, ist einer der vielen Aspekte dieses Besuches.

In den letzten zehn Jahren hat China strategische Partnerschaften mit zwölf arabischen Ländern geschlossen und die Zusammenarbeit sogar mit 20 Ländern im Rahmen der Neuen Seidenstraße (BRI/Belt and Road Initiative) aufgenommen. Es geht dabei nicht nur um Investitionen in die Infrastruktur, sondern auch um neue Handelskorridore, wie etwa den Nord-Süd-Korridor Russland-Iran-Indien.

Erst vor wenigen Monaten normalisierten Iran und Saudi-Arabien ihre angespannten Beziehungen, indem die diplomatischen Kontakte wieder aufgenommen wurden. Im Vorjahr hatten Iran und China eine 50-jährige strategische Partnerschaft vereinbart, was wiederum Teheran seither mehr Reichweite gewährt. Dies hatte Folgen für die iranische Position bei der Wiederbelebung der Verhandlungen zum Nuklear-Abkommen JCPOA mit Iran. Teheran lehnte die US-Avancen klar ab.

Nun dreht sich auch einiges am westlichen Ufer des Persischen Golfes, wo die sechs Mitglieder des Golfkooperationsrates und die Mitglieder der Arabischen Liga ihr handfestes Interesse an vertiefter Zusammenarbeit mit dem Reich der Mitte kundtun.

Die Entdollarisierung geht weiter

Arabische Staaten, darunter Saudi-Arabien haben Chinas Politik in der westlichen Region Xinjiang – einem Dauerthema in Washington, D.C. – öffentlich verteidigt und Pekings Umgang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren gedeckt sowie auch Chinas Position zu Taiwan unterstützt.

Am Donnerstag unterzeichneten Xi und der saudische König Salman ein umfassendes strategisches Partnerschaftsabkommen, das Riad einen hohen Stellenwert in den Außenbeziehungen Chinas einräumt. Und sie verpflichteten sich, sich alle zwei Jahre gegenseitig zu besuchen. Die beiden Länder unterzeichneten Dutzende von Handelsabkommen im Wert von ursprünglich mehr als 29 Milliarden US-Dollar in Bereichen wie Saubere Energie, Technologie und Fertigung.

Von einer neuen "strategischen Flexibilität" ist die Rede, geht es doch darum, sich aus einer Umklammerung durch die USA zu befreien. In vielen Hauptstädten und ganz besonders in Riad und in Kairo hat man nicht vergessen, wie die USA den ägyptischen Staatschef Hosni Mubarak im Februar 2011 fallen ließen. Der Begriff "strategisch" wird wieder einmal überstrapaziert. 

Viel handfester klingen die von Xi angekündigten Pläne,  den gemeinsamen Handel über die Börse von Shanghai abzuwickeln. Denn noch dominiert der US-Dollar den Welthandel zu über 40 Prozent, doch der chinesische Yuan wächst zu einer Alternative heran, die auch Saudi- Arabien interessiert, um einen Teil seiner Erdölexporte in Yuan zu notieren.

Derartige Schritte treiben die Entdollarisierung voran. Denn weltweit werden insbesondere sämtliche Rohstoffe noch in US-Dollar gehandelt. Für China wurde ab März 2009 – angesichts der damaligen US-Finanzkrise und des lockeren Gelddruckens – der Wunsch nach einem neuen Währungskorb stärker.

Es ist also eine innerasiatische Zusammenarbeit im Gange, die in starkem Kontrast zu all dem "decoupling", also dem von Washington propagierten Abwenden von China steht. Mit einem Thema werden sich die chinesischen Investoren und Offiziellen in ihrer wachsenden Präsenz in der Region aber befassen müssen: mit der Religion. Für eine areligiöse Gesellschaft wie die chinesische sind die Omnipräsenz des Religiösen und die theokratischen Institutionen nur schwer nachvollziehbar. Noch dominiert die Attraktivität so mancher US-soft power, doch spätestens mit den Visaproblemen seit den Anschlägen von 9/11 suchen Studenten wie Geschäftsreisende neue Destinationen. Neue Stipendiaten werden auch neue Maßstäbe setzen.

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