Europa

The Tribune India: "Selenskij könnte zum verwundeten Tiger werden"

In Indien blickt man mit Sorge auf die abnehmende Unterstützung des Westens für Kiew. Der Grund ist jedoch nicht etwa die Angst vor einer ukrainischen Niederlage, sondern der Verdacht, dass sich der ukrainische Präsident zu Verzweiflungstaten veranlasst sehen könnte.
The Tribune India: "Selenskij könnte zum verwundeten Tiger werden"Quelle: www.globallookpress.com © Kay Nietfeld/dpa

Der indische Journalist K. P. Nayar hat in einem Meinungsartikel für die indische Sonntagsausgabe von The Tribune vor der wachsenden Unberechenbarkeit des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij gewarnt, sollten ihm für "seinen" Krieg die Optionen ausgehen. Nayar schreibt regelmäßig für große englischsprachige indische Zeitungen wie The Hindu, Outlook India, The Telegraph India und The Tribune India. Seinen aktuellen Artikel leitete Nayar mit den deutlichen Worten ein: "Wladimir Alexandrowitsch Selenskij ist ein verzweifelter Mann." Der sei aktuell von Hauptstadt zu Hauptstadt in Europa und Nordamerika unterwegs, um seine Regierungsmacht zu retten.

Durch die jüngst erfolgte Absetzung vom Sprecher des US-amerikanischen Repräsentantenhauses sei es jedoch zu einer "Herkulesaufgabe" geworden, von den USA weiterhin neue Waffen und frisches Geld für den Krieg gegen Russland zu erhalten. Und als der US-Kongress die finanzielle Unterstützung für die Ukraine aus einem Gesetzesentwurf strich, sei ein "Schaudern" durch die Kiewer Elite gegangen, urteilt Nayar. Selenskij, der erst kurz zuvor nach Washington, D.C. gereist war, um sich für die Bewilligung von weiteren 24 Milliarden US-Dollar einzusetzen, wandte sich daraufhin wieder Europa zu.

EU-Außenminister wollen Selenskij um jeden Preis retten

Laut Nayar hätte Selenskij jedoch keinen schlechteren Zeitpunkt wählen können, um bei den EU-Europäern um Hilfe zu bitten. Denn am selben Tag, an dem sich der US-Kongress vorläufig gegen weitere Finanzierung für die Ukraine entschied, wurde in der Slowakei ein neuer Ministerpräsident gewählt, der bereits in seinem am Ende erfolgreichen Wahlkampf damit geworben hatte, die Unterstützung für die Ukraine komplett einzustellen. Dazu komme die unsichere Entscheidungslage in Polen durch den Wahlkampf und die bereits mehrfach wiederholte Kritik aus Ungarn daran, den Konflikt in der Ukraine am Kochen zu halten.

"Selenskijs Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben", meint Nayar. Der 45-jährige Präsident sei seit seinem späten Teenageralter ein Komiker gewesen. Eine Komödie habe aber keinen Sinn, wenn das Gesicht des Komikers nicht zu durchschauen sei.

Typisch für seinen früheren Beruf habe Selenskij während der fast 20 Monate, die der Ukrainekrieg schon dauert, regelmäßig Ansprachen im Stile von Winston Churchill gehalten, um die Ukrainer zusammenzuhalten – aus Bunkern oder anderen, ähnlich dramatisch erscheinenden Orten. Außerhalb der Ukraine hätten Selenskijs Fähigkeiten aber nicht ausgereicht, die wachsende Kriegsmüdigkeit der US-amerikanischen Bevölkerung sei nunmehr durch die Entscheidung des US-Kongresses bereits bestätigt worden.

Derweil sprangen die Außenminister der EU-Mitgliedsstaaten ein und sammelten sich zu einem demonstrativen Treffen in der Ukraine – ein "ungewöhnlichen Schritt" für die "selbsternannten westeuropäischen Diplomaten" in einer "verblüffenden Missachtung des Volkswillens in Osteuropa". Dass die Ukraine überhaupt kein EU-Mitglied ist, habe dabei offenbar gar keine Rolle gespielt, merkt Nayar noch an. Im Gegenteil: Hauptsache, Selenskij werde gerettet.

Ein verwundeter Tiger ist zu allem fähig

Die Tatsache, dass die vielgepriesene Kiewer "Gegenoffensive" auf dem Schlachtfeld keinen nennenswerten Fortschritt erzielte, habe Selenskijs Unterstützer in Europa jedoch zutiefst desillusioniert, betont Nayar. Der sorgfältig von den Medien gepflegte Mythos, das ukrainische Militär stehe, angetrieben von Patriotismus, Nationalismus und modernen, vom Westen gelieferten Waffen, kurz davor, Russland lähmende Wunden zuzufügen, habe sich als grundfalsche Erzählung erwiesen.

Während der Informationskrieg zwischen dem Westen und Russland aber weiter tobe, trete der Krieg in eine immer gefährlichere Phase ein – "vorhersehbar, aber unbeobachtet und von den westlichen Medien, die weitgehend mit ihren Regierungen konform gehen, weitgehend heruntergespielt". Eine solche Situation könne den ukrainischen Präsidenten zu einem sehr gefährlichen Mann machen, warnt Nayar. Selenskij könnte sich als ein in Indien sprichwörtlicher verwundeter Tiger erweisen.

"Ein verwundeter Tiger gilt als wehrlos und ist daher zu allem fähig."

An dieser Stelle erinnert Nayar auch an den syrischen Bürgerkrieg. Auf dessen Höhepunkt "beschaffte" sich die "Opposition" illegal chemische Waffen, setzte diese gegen die eigene Bevölkerung ein und gab dann dem Präsident von Syrien Baschar al-Assad die Schuld, wie man zunächst in vielen Hauptstädten der Welt auch geglaubt habe. Aus diesem Grund habe es dann aber kaum Vergeltungsmaßnahmen gegen Assad gegeben, und die Opposition habe schließlich die weltweite Unterstützung verloren.

Die größte Sorge ist eine verzweifelte ukrainische Staatsmacht 

Schon bald würden Schnee und Schlamm die Ostukraine in ein unwirtliches Terrain verwandeln. Das werde es für das ukrainische Militär umso schwieriger machen, Gebiete von Russland zurückzuerobern. 

Kiew könnte in ähnlicher Weise tödliche Strahlungslecks in ihren eigenen Nuklearanlagen auslösen und versuchen, diese zum Zweck einer möglichen Eskalation des Krieges Russland anzulasten. Die Ankündigung des russischen Gesandten bei der Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO; engl.: Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization) Michail Uljanow am Freitag in Wien, dass Moskau beabsichtige, seine Ratifizierung des  Kernwaffenteststopp-Vertrages (CTBT) zurückzuziehen, müsse in diesem Licht gesehen werden.

"Es bedeutet, dass Russland auf einen langen Krieg vorbereitet ist, für den es seine nuklearen Optionen stärken muss."

Moskaus Entscheidung sei ein weiteres Beispiel dafür, dass Neu-Delhi und Moskau seit dem Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine im vergangenen Jahr auf einer Wellenlänge liegen. Indien habe den CTBT nicht unterzeichnet und sich damit die Möglichkeit offen gehalten, auch in Zukunft Atomtests durchzuführen, kommentiert Nayar die Haltung Indiens.

Die größte Sorge sei Nayar zufolge jedoch, dass eine verzweifelte ukrainische Staatsmacht Anschläge auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die Kreml-Führung verüben könnte, wie etwa das versuchte Attentat im Mai 2023. Damals hatte der Pressedienst des russischen Präsidenten erklärt: "Das Kiewer Regime hat versucht, die Kreml-Residenz des Präsidenten der Russischen Föderation mit unbemannten Flugzeugen anzugreifen."

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