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Kroatien zwischen Pazifismus und Verpflichtung zur Gewährung der Sicherheit

Kroatien zwischen Pazifismus und Verpflichtung zur Gewährung der Sicherheit des eigenen Landes in einer Lage, in der die NATO andere Prioritäten hat.
Kroatien zwischen Pazifismus und Verpflichtung zur Gewährung der SicherheitQuelle: www.globallookpress.com © Luka Stanzl

Eine Analyse von Marinko Učur

In dem Augenblick, als die ersten Einberufungen an die Adressen der Reservisten in Kroatien verschickt werden – mit der Verpflichtung, sich bei den zuständigen Militärbüros zu melden –, fragt sich die Öffentlichkeit, was das eigentlich soll. Die Regierung bereitet nämlich einen Kriegsplan für Wehrpflichtige vor, was bei Pazifisten Zweifel und Unglauben hervorruft, weil dieses Land 2007 den regulären Militärdienst abgeschafft hat und bereits 2009 Vollmitglied der NATO wurde.

Die Erinnerung an die Bürgerkriege der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens, erweckt bei den Bürgern Argwohn und lässt sie glauben, dass etwas ohne ihr Wissen vorbereitet wird.

Die Öffentlichkeit war offenbar in einer Art Täuschung, dass der NATO-Schirm ein Garant für einen dauerhaften Frieden und Wohlstand für das weniger als 4 Millionen Einwohner zählende Balkanland sei. Aber in der Erkenntnis, dass die Allianz jetzt offensichtlich vor anderen Herausforderungen steht, mit sich selbst und der speziellen russischen Militäroperation in der Ukraine beschäftigt ist, haben die Militärbehörden dieses Landes beschlossen, ihre eigenen militärischen Kapazitäten und Ressourcen zu überprüfen.

So sollten wir auch die Absicht betrachten, dass bis Ende dieses Jahres bis zu 10.000 Bürger zum Militär einberufen werden, damit ihre Aufstellung festgelegt wird. Das Verteidigungsministerium dieses Landes versucht, der Öffentlichkeit zu versichern, dass dies keine Mobilisierung, sondern eine übliche und geplante Aktivität sei:   

"Reserveeinheiten stärken die Fähigkeiten der Armee in Friedenszeiten, indem sie zivilen Einrichtungen Hilfe leisten, sofern Gott verhüte, dass es einen Krieg gibt. Sie helfen Berufssoldaten bei der Verteidigung des Landes. Nur diejenigen, die eine militärische Ausbildung durchlaufen haben, entweder durch den obligatorischen Militärdienst oder durch eine freiwillige militärische Ausbildung, und es gibt mehr als 10.000 von ihnen, können zur Reserve eingezogen werden.

Das ist nichts Ungewöhnliches", rechtfertigt sich Ivan Jušić, Leiter der Personalabteilung im Verteidigungsministerium, und erklärt, dass diese Aktivität "nichts mit dem Krieg in der Ukraine" und mit der Angst, dass es auch in der Balkanregion zu  Spannungen kommen könnte, zu tun habe. "Niemand zieht in den Krieg, und auch in absehbarer Zeit wird niemand in den Krieg ziehen", schlussfolgert dieser Beamte.

Dennoch regte sich die Stimmung, und anlässlich der Ankündigung, 10.000 Einberufungen an Reservisten zu versenden, tauchten in Zagreb Antikriegs- und Pazifismus-Plakate auf, die zur Beruhigung der Spannungen und zur Deeskalation der Kriegspsychose aufriefen. Auf einem davon steht geschrieben: "Nie wieder Soldaten! Nie wieder Krieg für das Land und die Reichen!", was eine Art Protest gegen jegliche Militarisierung des Landes darstellt.

Ohne die zahlreichen Herausforderungen der internationalen Umstände, die russischen spezielle Militäroperation in der Ukraine und die Tatsache, dass sich die Welt unaufhaltsam in Richtung Multipolarität bewegt, hätte dies keine besondere Aufmerksamkeit erregt. Aber unter den neuen Umständen und der Tatsache, dass die NATO-Allianz ein absoluter Friedensgarant in den Mitgliedsländern ist und sein kann, ist klar, dass die Regierung solch unpopuläre Schritte unternimmt, die für viele nach Militarisierung und Waffenrasseln aussehen.

Erinnerungen an frühere Bürgerkriege in Jugoslawien und daran, dass die Marionettenschöpfung "Unabhängiger Staat Kroatien" (NDH) im Zweiten Weltkrieg als Verbündeter der Nazis und Faschisten Verbrechen und Völkermord an Serben, Juden und Roma begangen hat, erregen bei Menschen ein Gefühl der Angst, unvorbereitet zu sein, dass sich die Geschichte in ihrer hässlichsten Form wiederholt. Allein im Konzentrationslager Jasenovac tötete der NDH 700.000 überwiegend serbische Opfer.

Andererseits haben internationale Umstände und der Druck des Westens Kroatien gezwungen, sich als Mitglied der EU und der NATO in die Reihe der Länder einzureihen, die die Ukraine im aktuellen Konflikt uneingeschränkt unterstützen. Und dies ist bereits ein Umstand, auf den kroatische Bürger keinen großen Einfluss haben. Gleichzeitig sind sie sich bewusst, dass sie bei der bevorstehenden Umgestaltung der monopolaren in eine multipolare Welt die größten Verlierer wären, weil sie sich unfreiwillig wieder auf der falschen Seite der Geschichte wiederfinden würden.

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