Ablenkungsmanöver in Baku? Was Merkels Aserbaidschan-Besuch mit Nord Stream 2 zu tun hat
Bei dem Treffen des aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham Alijew und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel geht es um Gaslieferungen aus dem Land am Kaspischen Meer an die EU. Deutschland und die EU wollten ihre Energieversorgung diversifizieren, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, sagte Merkel am Samstag in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Präsident Alijew zeigte ebenso Interesse an einem weiteren Ausbau der Gaslieferungen auf der Südschiene nach Europa.
Diese spärlichen Agentur-Meldungen sollen den Zweck der Reise von Angela Merkel nach Baku erklären - die erste eines deutschen Bundeskanzlers überhaupt. Kleinlaut heißt es aber auch: Bisher sind die Lieferungen noch sehr übersichtlich. Sechs Milliarden Kubikmeter gehen in die Türkei, zehn Milliarden Kubikmeter kommen in der EU an. Diese Menge sei ausbaufähig, hieß es in deutschen Regierungskreisen.
Der Gas-Exporteur kauft Gas zum Eigenbedarf ein
Der Southern Gas Corridor (SGC), der durch eine Reihe zusätzlicher Gas-Pipelines die Vorkommen im aserbaidschanischen Schach-Deniz über Georgien und Türkei mit Südeuropa verbinden soll, befindet sich derzeit noch im Bau und soll 2020 in Betrieb gehen. Die Bundesregierung beteiligt sich mit einer Garantie in Höhe von 1,2 Mrd. Euro für das aserbaidschanische Staatsunternehmen CJSC, das das Projekt betreut.
Doch die Menge an Gas, die in Schach-Deniz vermutet wurde, fiel in Wahrheit geringer aus. Außerdem musste das bereits geförderte Gas zurück in die Erdschichten gepumpt werden, damit diese nicht einbrechen. Grund dafür sei die Beibehaltung des Preises für aserbaidschanisches Erdöl. So musste Aserbaidschan Anfang des Jahres zum ersten Mal nach elf Jahren wieder Gas beim russischen Energieriesen Gazprom kaufen. Im Moment kauft Baku 1,6 Mrd. Kubikmeter Gas jährlich, künftig kann diese Menge ums das Dreifache steigen. Aserbaidschans jährlicher Bedarf an Gas liegt bei 22 Mrd. Kubikmeter.
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Der stellvertretende Direktor des russischen Fonds der Nationalen Energiesicherheit (FNEB) Alexei Griwatsch merkte im Gespräch mit der russischen Wirtschaftszeitung Kommersant an, das Wachstum der Nachfrage auf dem aserbaidschanischen Binnenmarkt und die Verringerung eigener Förderung zeige, dass Aserbaidschan in der Tat seinen Verpflichtungen als europäischer Gasversorger nicht nachkommen könne.
Eine Diversifizierung der Gaslieferungen nach Europa per Southern Corridor ist eine Fiktion, denn um die Engpässe zu vermeiden, wird Aserbaidschan wieder Gas bei Russland kaufen.
Der Southern Gas Corridor, der in Zukunft auch Gas aus Turkmenistan, dem Iran und dem Irak nach Europa und in die Türkei liefern kann, würde Russland nur dann Konkurrenz machen, wenn es das Gas aus Turkmenien miteinschließe, schreibt das russische Business-Portal RBK. Aber es ist unklar, inwieweit die Lieferung des turkmenischen Gases über den Southern Gas Corridor möglich ist. Dafür soll noch eine Pipeline unter dem Kaspischen Meer gelegt werden. Auf die Frage, ob auch Turkmenistan sein Gas über Aserbaidschan nach Europa liefern könne, reagierte der aserbaidschanische Staatschef am Samstag ausweichend. "Das entscheide nicht ich", sagte er.
Absichterklärungen am Kaspischen Meer: Merkels Symbolpolitik
Entgegen den in deutschen Medien verbreiteten Meinung, Wladimir Putin müsse sich über die Reise der Kanzlerin in den Südkaukasus ärgern, sieht man in Russland die Gespräche in Baku gelassen.
Ich schließe nicht aus, dass Merkels Besuch in Aserbaidschan auch eine diplomatische Geste ist, die wiederum mit dem Projekt Nord Stream 2 zusammenhängt. Hier soll den Menschen in Europa gezeigt werden, und teilweise in den Vereinigten Staaten, die sagen, dass Nord Stream 2 ein Monopol Gazproms sei", schätzte der Politexperte Sergei Michejew in seinem Kommentar beim Radiosender Westi FM.
Konkret solle der Besuch zeigen, dass Deutschland die Frage der Diversifizierung der europäischen Gasversorgung ernst nehme. Die reale Entwicklung auf dem aserbaidschanen Gasmarkt zeige aber, dass die Erwartungen an die Mengen an Gasvorkommen des Landes im Kaspischen Meer künstlich hochgeschraubt wurden, um leichter Finanziers für den Bau der Pipeline zu finden. Die offiziellen Kosten für das Projekt sollen 45 Milliarden Dollar betragen.
Genau eine Woche vor dem Treffen mit dem aserbaidschanischen Präsidenten bekräftigte Angela Merkel bei ihrem gemeinsamen Presseauftritt mit Wladimir Putin den vorteilhaften Charakter des Pipeline-Projektes Nord Stream 2. In Brüssel sieht man das Projekt kritisch, die EU-Behörden können den Bau jedoch aus juristischen Gründen nicht untersagen. Die Energieversorgung aus Aserbaidschan ist vor allem für die südeuropäischen Länder wie Italien, Albanien und Griechenland sowie für die Türkei interessant. Trotzdem gilt das russische Gas als konkurrenzfähiger. Die Selbstkosten für die Förderung von 1.000 Kubikmetern belaufen sich bei Gazprom auf 15.000 Dollar, in Aserbaidschan dagegen 35.000.
Beim stetig steigenden europäischen Erdgasbedarf hat sich der Marktanteil Gazproms auf dem EU-Gasmarkt im Jahr 2017 von 33,1 auf 34,7 Prozent gewachsen. Im Jahr 2030 könne er auf bis zu 38 Prozent steigen, schätzt Gazprom-Manager Kirill Polous.
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