Wirtschaft

Auswirkungen des westlichen Goldembargos auf Russland

Die G7-Staats- und Regierungschefs prahlen mit dem soeben verhängten Kaufverbot für russisches Gold: Man habe dem russischen Außenhandel einen schweren Schlag versetzt. Jedoch werden die tatsächlichen Auswirkungen der neuen Sanktionen die G7-Führer wahrscheinlich enttäuschen.
Auswirkungen des westlichen Goldembargos auf RusslandQuelle: Sputnik © Pavel Lisitsyn

von Olga Samofalowa

Der Westen hat beschlossen, den Einnahmen Russlands einen weiteren Schlag zu versetzen und den Goldexport zu verbieten. Gleich vier Länder – Großbritannien, die USA, Kanada und Japan – haben ein solches Embargo angekündigt. Deutschland und Frankreich zeigten Unterstützung für diese Sanktionen, die das Ergebnis des G7-Treffens waren. Allerdings können sie diese nicht im Alleingang verabschieden, da sie die Frage mit anderen EU-Mitgliedern besprechen müssen. Höchstwahrscheinlich ist die Verhängung eines Goldembargos gegen Russland durch die EU nur eine Frage der Zeit, die benötigt wird, um die Formalitäten zu erledigen.

US-Präsident Joe Biden versichert, dies werde ein schwerer Schlag für Russlands Außenhandel sein. US-Außenminister Antony Blinken sagt, es betreffe "den zweitlukrativsten Exportartikel, den Russland nach der Energie hat". Der Verzicht der G7-Länder auf Goldimporte aus Russland würde das Land um Einnahmen in Höhe von 19 Milliarden Dollar pro Jahr bringen, schätzt Blinken.

Gemäß den Daten aus dem Jahr 2021 verkaufte Russland 301 Tonnen zu aktuellen Preisen im Wert von 19 Milliarden Dollar an ausländische Märkte. Nach Angaben der Analysten von Freedom Finance wurde der größte Teil des russischen Goldes – 90 Prozent – im letzten Jahr für 15,4 Milliarden Dollar vom Vereinigten Königreich gekauft (da London neben New York der größte Handelsplatz für Edelmetalle ist). Ebenfalls in Europa wurde russisches Gold von der Schweiz für 422 Millionen Dollar und von Deutschland für 318 Millionen Dollar erworben. Zudem wurde Gold im Gesamtwert von 1,134 Milliarden Dollar von anderen Importeuren aus "befreundeten" Ländern gekauft.

Es ist interessant, dass der kollektive Westen so lautstark einen neuen Schlag gegen die russischen Einnahmen verkündet hat, während in Wirklichkeit das Handelsverbot für russisches Gold in London auf den März 2022 zurückgeht.

"Dies geschah, als die London Precious Metals Association die internationale Zertifizierung von russischem Goldbarren aufhob, als der Barren mit dem Stempel versehen wurde, dass er der Probe entspricht und zum internationalen Markt zugelassen ist. Seitdem haben wir keine Goldbarren mehr nach Europa, Kanada oder in die USA geliefert",

sagt Alexei Wjazowski, Vizepräsident der Firma Gold Coin House.

Wozu also haben die G7-Staaten so viel Aufhebens um die formelle Verhängung von Sanktionen gemacht?

Erstens ist es eine Gelegenheit, dem G7-Treffen mehr Gewicht zu verleihen. Es wäre eine "Schande" für die Politiker, das Thema Russland nicht zu erwähnen und Russland nicht in irgendeiner Weise zu bestrafen. Und eine neue Bestrafung zu finden, die zwar laut ist, aber die Wirtschaft der Industrieländer nicht weiter zerstört, ist nicht mehr so einfach.

Zweitens könnte es ein schlauer Schachzug sein, um andere Länder zu bestrafen. "Möglicherweise wurde eine solche Erklärung auf der Ebene der G7 abgegeben, um andere Länder unter sekundäre Sanktionen zu stellen", schließt Wjazowski nicht aus.

Unter Berücksichtigung der Formalität der offiziellen Sanktionen ist der Schlag gegen Russland möglicherweise nicht so gravierend, wie die USA versuchen, es darzustellen.

Zum einen sind die Einnahmen aus dem Goldexport tatsächlich beträchtlich. Selbst am Waffenexport verdient Russland weniger – 13 Milliarden Dollar im Jahr 2020. Und trotzdem, gemessen an den Gesamteinnahmen ist dies kein kritischer Anteil. Sogar der Export von agro-industriellen Erzeugnissen summiert sich zu einem viel bedeutenderen Geldbetrag – im Jahr 2021 waren es 34 Milliarden Dollar. Und die gesamten Exporteinnahmen Russlands beliefen sich im vergangenen Jahr auf 498 Milliarden Dollar. "Im Jahr 2021 beliefen sich die Haushaltseinnahmen aus Goldexporten auf etwa 7,57 Prozent, in diesem Jahr wären es etwa 5,35 Prozent, wenn man die Änderungen des Dollarkurses berücksichtigt", haben die Analysten von Freedom Finance berechnet.

Zudem hat Russland alle Chancen, die Goldexporte vom Westen in den Osten umzuleiten. Wjazowski: 

"Russland verzeichnet bereits jetzt einen Aufschwung im Goldhandel mit den Arabischen Emiraten. Neu liefern wir massenweise Goldbarren nach Dubai. Bald werden sich Indien und China anschließen".

Dubai ist vermutlich zu einem Handelsknotenpunkt für Gold aus Russlands geworden, wo es von jedermann gekauft werden kann, der es möchte.

Der Experte zieht eine Parallele zum Verkauf von russischem Erdöl, bei dem Indien plötzlich zum Hauptabnehmer geworden ist. Die Inder kaufen russisches Öl mit einem Abschlag von etwa 30 Dollar auf den Weltmarktpreis und können es dann für ihren eigenen Bedarf verwenden oder zum Marktpreis an andere weiterverkaufen und damit Geld verdienen.

Wjazowski ist zuversichtlich, dass Indien und China – die zwei größten Konsumenten von Gold – ebenfalls aktive Käufer von russischem Gold werden, genauso wie die Vereinigten Arabischen Emirate:

"Vor unseren Augen findet die Zerstörung des globalen Handels statt. Sogar China macht sich Sorgen und hat begonnen, seine Dollarreserven zu verkaufen, weil es versteht, dass auch diese, sollte etwas sein, leicht blockiert werden können. Und das Gold lagert zu Hause, es ist durch nichts bedroht. Zweitens sind Indien und China die wichtigsten Produzenten und Konsumenten von Schmuck".

Deshalb wird das russische Gold einen neuen Käufer, höchstwahrscheinlich auf der anderen Seite der "Barrikaden", finden.

"In unserer heutigen Welt ist es tatsächlich sehr schwierig, etwas zu verbieten. Russland hat einen Anteil von fast zehn Prozent an der weltweiten Goldproduktion. Gold ist eine liquide Währung. Sobald das Geld aufhört zu funktionieren, wird das Gold weiterlaufen. Das Wasser wird immer einen Weg finden",

resümiert der Vizepräsident von Golden Mint zuversichtlich.

Dmitri Puchkarjew, ein Börsenexperte bei BCS World Investments weist auf andere Chancen hin: 

"Eine andere Möglichkeit, die Auswirkungen auf die Goldindustrie abzumildern, besteht darin, die Reserven der Zentralbank durch verstärkte Goldkäufe aufzustocken. Falls sich die Regulierungsbehörde dazu entschließt, die Goldkäufe auf dem heimischen Markt zu erhöhen, könnte dies die Branche stark unterstützen".

Wenn die Regierung die "Haushaltsregel" wieder einführt, wäre es logisch, die Übereinkommen aus dem Erdöl- und Erdgasgeschäft (und die Preise dort steigen immer noch) zum Kauf von Gold und Yuan statt der "unzugänglichen" Dollar und Euro zu verwenden.

Was den Goldpreis betrifft, so gibt es hier keine eindeutige Antwort darauf, ob die Preise angesichts des offiziellen Verbots steigen werden. Erstens ist das verkündete Embargo der G7-Länder eher eine Formalität und symbolisch. Zweitens gibt es den Verdacht, dass der Goldpreis jetzt künstlich gedämpft wird. Alexey Wjazowski dazu: 

"Im Jahr 2020 wurde ein historischer Rekord von fast 2.000 Dollar pro Feinunze aufgestellt. Wir befinden uns jetzt in seiner Nähe. Es ist aber offensichtlich, dass der Goldpreis von den Zentralbanken der Industrieländer manipuliert wird. Es existiert eine stillschweigende Übereinkunft, Gold nicht über ein bestimmtes Niveau steigen zu lassen, damit es nicht zu einem Konkurrenten der Fiat-Währungen wird, welche die Zentralbanken der entwickelten Länder in unbegrenzten Mengen drucken können. Ist dieses Niveau erreicht, verkaufen sie massenhaft Gold aus ihren Tresoren, was den Preis nach unten drückt.

Zudem sind Manipulationen über den "Papier"-Gold möglich – Derivate, Futures usw. Ich bin skeptisch gegenüber diesen Manipulationen, aber wie lange es ihnen noch gelingt, den Markt zu betrügen, wird die Zeit zeigen. Allerdings werden sie nicht ewig betrügen können."

Eine Vorhersage des Goldpreises ist daher ziemlich schwierig:

"Wenn wir theoretisch davon ausgehen, dass die russische Zentralbank die Umwandlung von Öldollar oder generell des gesamten Handels in Gold ankündigt, werden die Preise wie eine Rakete abheben, bis zu 7.000 Dollar oder sogar 10.000 Dollar pro Unze. Und das wird nicht die Grenze sein", sagt Wjazowski.

Was die Inlandsnachfrage betrifft, so hat die russische Regierung die 13 Prozent Einkommenssteuer und die 20 Prozent Mehrwertsteuer auf Goldbarrenverkäufe bis Ende 2023 abgeschafft, damit die Menschen ihre Ersparnisse in Gold anlegen können. 

Ein Kaufboom von physischem Gold durch die Bevölkerung wurde im März beobachtet, als die Mehrwertsteuer abgeschafft wurde. Ein zweiter folgte nach der Abschaffung der Einkommenssteuer, doch jetzt lässt sich keine neue Nachfrage mehr beobachten, so Freedom Finance. 

"Der Umsatz bei den Verkäufen von Goldbarren ist gestiegen, von einer großen Zunahme kann aber nicht gesprochen werden. Es wurde viel getan, aber es gibt auch noch viel zu tun. Juristische Personen dürfen zum Beispiel nicht mit Gold handeln. Privatpersonen können auch nicht untereinander handeln. Man kann die Barren nur an Banken verkaufen, und diese sind sehr zurückhaltend, wenn es um den Rückkauf geht, es wird eine Prüfung durch Experten verlangt usw. In dieser Richtung gibt es noch viel Arbeit zu erledigen",

mahnt Wjazowski.

Man sollte nicht vergessen, dass die Goldminenbetreiber schon jetzt die Wahl haben, ob sie ins Ausland oder an die russische Zentralbank verkaufen. Zunächst aber kauft die russische Zentralbank Gold mit einem Abschlag von 15 Prozent auf den Marktpreis. Zweitens zahlt sie in Rubel. Die Goldgräber müssen jedoch Fremdwährungskredite zurückzahlen und importierte Ausrüstung kaufen, so dass sie Deviseneinnahmen benötigen.

Für Goldminenbetreiber könnte es zunächst schwierig sein, ihr Geschäft umzustrukturieren, das auf London ausgerichtet ist, das Zentrum des weltweiten Goldhandels.

"Sanktionen gegen Gold könnten sich als empfindlich für die Industrie erweisen, da der Großteil des in Russland geförderten Metalls – mehr als 80 Prozent im Jahr 2021 – exportiert wird", sagte Puchkarjew. Seinen Worten zufolge könnten alle russischen Goldminengesellschaften gezwungen sein, Gold mit einem Abschlag zu verkaufen, sagte er. Die Firma Polyus wäre in einer besseren Position, da der Anteil der Exporteinnahmen im Jahr 2021 weniger als zwei Prozent betrug. Polymetal erzielte hingegen im Jahr 2012 etwa zwölf Prozent der Einnahmen aus Exporten in die EU und insgesamt 56 Prozent aus Verkäufen außerhalb Russlands.

Der wichtigste Auslandsmarkt war Kasachstan mit 35 Prozent der Gesamteinnahmen. Noch ist es unklar, wie Kasachstan auf die Verhängung von Sanktionen durch die G7-Länder und möglicherweise die EU reagieren wird. Andererseits könnte laut Puchkarjew die Auswirkung der Sanktionen durch die Tatsache gemindert werden, dass Polymetal seine Produktion auf Silber diversifiziert habe.

Russlands viertgrößtes Goldbergwerk, die Firma Petropawlowsk, hat bereits Probleme. Mitte Mai versäumte das Unternehmen, Schulden in Höhe von 12,36 Millionen auf in Dollar bezeichnete Eurobonds pünktlich zu bezahlen. Zuvor hatte das Unternehmen es versäumt, ein Darlehen an die Gazprombank zurückzuzahlen. Die Sache ist die, dass das Goldminenunternehmen in Großbritannien registriert ist, aber einen Kredit bei der Gazprombank hatte, die Ende März auf die britische Sanktionsliste gesetzt wurde. Infolgedessen war Petropawlowsk nicht in der Lage, Geld an eine russische Bank zu überweisen, um das Darlehen zurückzuzahlen.

Übersetzt aus dem Russischen

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Mehr zum Thema - "Nachfrageorientierte Verlagerung": Moskaus Einschätzungen zu westlichen Goldimport-Sanktionen

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