Russland

Die jüngste Desinformationskampagne der USA über den Anschlag auf Nord Stream war geplant

US-Geheimdienste verbreiten mithilfe der Presse das Narrativ, dass Kiew indirekt die Schuld für den Anschlag auf Nord Stream trage. Interessant ist dabei, dass sie nicht mehr versuchen, die ursprüngliche Lüge aufrecht zu erhalten, dass dieser Terroranschlag ein Angriff unter falscher Flagge aus Moskau war.
Die jüngste Desinformationskampagne der USA über den Anschlag auf Nord Stream war geplantQuelle: www.globallookpress.com © Oliver Contreras - Pool via CNP

Eine Analyse von Andrew Korybko

Der durchschnittliche westliche Zeitgenosse ist derzeit verwirrt. Nachdem die US-Medien damit begonnen haben, das offizielle Narrativ über die Terroranschläge auf die Nord Stream Pipelines im vergangenen September entscheidend in eine andere Richtung zu drehen – von der unverhohlenen Andeutung, dass es sich um eine russische False Flag handelte, hin zu einer ernsthaft diskutierten Möglichkeit, dass Kiew in Wahrheit der wirkliche Täter sein könnte. Neue Berichte, die durch die Medien kursieren und sich auf nicht näher benannte Geheimdienstmitarbeiter berufen, behaupten, dass eine mysteriöse Sabotagegruppe mit Verbindungen zur Ukraine hinter den Anschlägen steckt und dass es "Beweise" dafür geben soll. 

Gemäß der neu aufgekommenen Interpretation der Ereignisse, die zuerst von der New York Times verbreitet wurde, mietete eine Kommandogruppe mit gefälschten Pässen eine Jacht an, um ihren Terroranschlag auszuführen, wobei deutsche Staatsanwälte das Boot bereits durchsucht und Spuren von Sprengstoff gefunden haben sollen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius warnte jedoch davor, voreilige Schlüsse zu ziehen, ging aber sogar so weit, seine eigene Verschwörungstheorie aufrechtzuerhalten, indem er spekulierte, dass der Anschlag eine False Flag gewesen sein könnte, mit der man Kiew die Schuld in die Schuhe schieben will.

Moskau besteht unterdessen darauf, dass diese jüngsten Entwicklungen Teil einer Desinformationskampagne sind, um die Aufmerksamkeit von dem abzulenken, was tatsächlich passiert ist. Russische Offizielle haben ausgeführt, dass die Ziele hinter diesen jüngsten Provokationen darin bestehen, jeden davon zu überzeugen, dass es keine Notwendigkeit für eine multilaterale und transparente Untersuchung gibt, was das Ganze zu einem weiteren Ablenkungsmanöver macht. Diese "gesteuerten Informationslecks", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, "passen in die angloamerikanische Agenda".

Beobachter sollten sich auch daran erinnern, dass diese dramatische Anpassung im offiziellen Narrativ kurz auf den detaillierten Bericht von Seymour Hersh erfolgte, der seine eigene, nicht näher benannte Quelle zitierte, die behauptete, dass die USA und Norwegen bei der Durchführung dieses Terroranschlags zusammengearbeitet hätten. Diese Tatsache verleiht der Überzeugung russischer Offizieller Glaubwürdigkeit, dass das Ganze eine Desinformationskampagne ist, um die Aufmerksamkeit von der Wahrheit abzulenken, nämlich von jener, die im Bericht von Hersh enthüllt wurde.

Diese Geschichte, die von US-Geheimdiensten gesponnen wird, ist detailliert genug, um eine gewisse "Logik" zu beinhalten, so unglaublich sie auch klingen mag. Vor allem, wenn man bedenkt, wie extrem unwahrscheinlich es ist, dass eine nicht staatlich unterstützte "Terroristengruppe" eine Pipeline in von der NATO kontrollierten Gewässern in die Luft sprengen kann, ohne am Tatort erwischt zu werden. Dennoch dient diese Kampagne dem Zweck, die öffentliche Wahrnehmung unter den Durchschnittsmenschen mit geringem Wissen darüber, wie die Welt wirklich funktioniert, umzuformen.

Angesichts dieser Einsicht ist es mit ziemlicher Sicherheit so, dass die USA diese "Beweise" weit im Voraus vorbereitet haben, um sie als Plan B im entscheidenden Moment zum Einsatz zu bringen, falls jemand wie die Quelle von Seymour Hersh die Bühne betreten sollte –, was letztlich auch passiert ist. Das bedeutet, dass diese Lecks in dem Sinne "echt" sind, dass die falschen "Beweise" tatsächlich existieren, aber lediglich als ein geplantes Ablenkungsmanöver dienen, aber nicht beweisen, was wirklich passiert ist.

Das Interessanteste am neuen Narrativ, das von US-Geheimdiensten an die Presse weitergegeben wurde, ist, dass man versucht, Kiew indirekt die Schuld zu geben, anstatt auf die ursprüngliche Lüge noch einen draufzusetzen, dass dieser Terroranschlag eine False Flag Russlands war. "Beweise" zur Unterstützung einer False Flag hätten genauso gut zusammengebraut werden können, doch wurde die Entscheidung getroffen, diesen Weg nicht einzuschlagen, sondern die öffentliche Wahrnehmung dahin gehend umzuformen, dass die Durchschnittsmenschen im Westen glauben, dass die Ukraine für all dies verantwortlich ist.

Nur eine von zwei einander ausschließenden Motivationen macht daher Sinn: Entweder will man die Ukrainer damit böswillig vor die Hunde werfen und damit die Europäer unter Druck setzen, ihre Waffenhilfen für Kiew zu drosseln oder es ist ein völlig fehlgeleiteter Versuch, Kiew wie eine Geheimdienst-Supermacht aussehen zu lassen, um die allgemeine Kriegsmoral zu stärken. Die erste Variante würde nicht zur Haltung der NATO passen, die kürzlich einen "Wettlauf bei der Logistik" und einen "Zermürbungskrieg" gegen Russland ausgerufen hat, während die zweite Variante Kiew eigentlich nur wie ein Schurkenregime aussehen lässt.

Der größere Kontext, in dem diese narrative Entwicklung stillschweigend von US-Geheimdiensten unterstützt wird, sind die allmählichen Erfolge vor Ort, die Russland kürzlich rund um Artjomowsk / Bachmut erzielen konnte. Dies hat Kiew dazu veranlasst, panische Appelle an seine Sponsoren für noch tödlichere Waffen zu richten. Selenskij sagte gegenüber dem US-Sender CNN sogar, dass Russland den Rest des Donbass überrollen könnte, wenn es diese Stadt erobern wird, obwohl der Chef des Pentagon, Lloyd Austin, dieses Szenario herunterspielte.

Was auch immer dort am Ende passiert, der Punkt ist, dass die USA keine Verschwörungstheorie vorangetrieben hätten, in der die Ukraine dafür verantwortlich gemacht wird, die Pipelines einer der großen NATO-Verbündeten in die Luft gesprengt zu haben, während Kiew all die militärische Hilfe benötigt, die es von diesem Verbündeten bekommen kann.

Der Bericht von Seymour Hersh wurde bereits weitgehend von den Mainstream-Medien in der medialen Senke begraben und alles und jeder wurde diskreditiert, der sich die Zeit genommen hat, die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Die Affäre hat auch die innerdeutsche Dynamik nicht wirklich beeinflusst,  und es musste daher nicht sofort darauf reagiert werden. Die vorangegangenen Überlegungen erlauben es daher, mit Sicherheit auszuschließen, dass das Ganze losgetreten wurde, um Kiew vor einer großangelegten Reduzierung der Waffenhilfe fallen zu lassen.

Die Köpfe derjenigen, die sich dieses Ablenkungsmanöver ausgedacht haben, dachten offenbar, dass jetzt entgegen jeglicher Intuition der bestmögliche Moment sei, Kiew die Schuld für die Angriffe auf Nord Stream zu geben, um ähnlich antirussische Staaten dazu zu inspirieren, sich dem anzuschließen. Die Ukraine hätte das vollbracht, wozu keiner von ihnen bisher in der Lage war, indem sie den "verhassten" Nord Stream Pipelines den Todesstoß versetzt habe.

Während Westeuropa und insbesondere Deutschland weiterhin zögern, ihre Waffenhilfe für Kiew zu erhöhen, haben die osteuropäischen Staaten die ganze Zeit über die Führung übernommen und tun dies auch weiterhin aufgrund ihres gemeinsamen großen strategischen Ziels in Bezug auf die strategische Vernichtung Russlands. Die Drahtzieher hinter dieser Operation der Desinformation haben sich wahrscheinlich bereits ausgerechnet, dass die potenziellen Auswirkungen auf die Teilnahme Deutschlands an diesem Stellvertreterkrieg überschaubar bleiben werden, da sie bisher ohnehin weitgehend minimal waren.

Nicht nur steht Deutschland dermaßen stark unter dem Einfluss der USA, aber die zuvor erwähnte Reaktion des deutschen Verteidigungsministers war nicht von Wut darüber geprägt, dass Kiew diesen Terroranschlag verübt haben könnte, sondern dass er die Verschwörungstheorie sogar in Betracht zieht und dies alles eine anti-ukrainische False Flag gewesen sein könnte.

Um das Ganze zusammenzufassen: Der Durchschnittsmensch im Westen könnte auch nach dem Lesen dieser Analyse immer noch verwirrt zurückbleiben, was erwartbar wäre, da er zu viele widersprüchliche Informationen auf einmal aufnehmen muss. Diejenigen, die sich in dieser Situation wiederfinden, sollten in Betracht ziehen, diese Analyse noch einmal zu lesen, wenn sie die vermittelten Gedanken besser verstehen wollen. Kurzum lässt sich sagen, dass die USA diese Verschwörungstheorie eingesetzt haben, um die eigene Schuld zu vertuschen.

Aus dem Englischen

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien spezialisiert hat sowie auf Chinas Belt & Road Initiative, Russlands geopolitischem Balanceakt und hybrider Kriegsführung.

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