Nordamerika

Wie sich Twitter mit dem Bann von Trump in die US-Wahl einmischte – Twitter-Files Part 3 und 4

Inmitten des Streits zwischen Elon Musk und den ehemaligen Topmanagern von Twitter wurden weitere interne Twitter-Dokumente veröffentlicht. Sie zeigen, wie Twitter-Mitarbeiter mit Demokraten und US-Bundesbehörden zusammengearbeitet haben, um den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump von dem Kurznachrichtendienst zu verbannen.
Wie sich Twitter mit dem Bann von Trump in die US-Wahl einmischte – Twitter-Files Part 3 und 4Quelle: www.globallookpress.com © Piero Nigro

Das Journalistenteam um Matt Taibbi hat am Wochenende Part 3 und 4 der Twitter-Files veröffentlicht. Bei den am 9. und 10. Dezember freigegebenen Dokumenten handelt es sich demnach um den ersten und zweiten Teil eines Informations-Leaks über die Entscheidung des Konzerns, das Konto des früheren US-Präsidenten Donald Trump nach den Ereignissen vom 6. Januar 2021 dauerhaft zu sperren. Diese neusten Twitter-Files zeigen nicht nur auf, wie Twitter-Mitarbeiter diesbezüglich Richtlinien der Social-Media-Plattform missachteten oder spontan Regeln aufstellten. Sondern auch, "wie die Twitter-Mitarbeiter mit Demokraten und Bundesbehörden zusammengearbeitet haben", um den ehemaligen Präsidenten endgültig von der Plattform verbannen zu können. 

Teil drei der Geschichte, über den der unabhängige Journalist Matt Taibbi ausführlich berichtet, konzentriert sich den Angaben zufolge auf den Zeitraum Oktober 2020 bis zum 6. Januar 2021. Die Dokumente sollen laut Taibbi beweisen, dass der "intellektuelle Rahmen" für die Sperrung des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump bereits Monate vor dem Vorfall am 6. Januar in Washington gelegt wurde. "Vor dem 6. Januar war Twitter eine einzigartige Mischung aus automatisierter, regelbasierter Durchsetzung und eher subjektiver Moderation durch leitende Angestellte", betonte der Journalist am Freitagabend auf Twitter. Mit Verweis auf die bereits zuvor veröffentlichten "Twitter Files 2.0" fügte er hinzu, dass der Social-Media-Gigant bereits im Vorfeld der US-Präsidentschaftwahlen etwaige Taktiken zur Manipulation der Sichtbarkeit von Tweets angewandt habe, um Personen wie Trump zu zensieren.

So zeigten die von dem Journalisten veröffentlichten Twitter-Interna, dass die "Twitter-Führungskräfte enge Beziehungen zu den Bundesbehörden hatten und aktiv Inhalte auf Wunsch ihrer Vertreter moderierten." Entscheidungen, gewisse Inhalte zu zensieren oder ihre Reichweite einzuschränken, seien laut Taibbi auf der Grundlage von "Vermutungen, Suchmaschinenverlauf und Bauchgefühl" getroffen worden. Dem Journalisten zufolge wurden ebenjene fragwürdigen Moderationsregeln auch bei der Entscheidung über die Verbannung Trumps von Twitter nach den Unruhen im Kapitol am 6. Januar angewandt. Ferner geht aus den am Wochenende veröffentlichten Dokumenten hervor, dass die Plattform sogar geplant hatte, zukünftige amerikanische Präsidenten auszuschließen, sollten diese gegen die neuen Richtlinien des Konzerns verstoßen – wenn nötig, auch den amtierenden US-Präsidenten Joe Biden.

Taibbi zitiert einen hochrangigen Twitter-Mitarbeiter mit den Worten:

"Sobald sie mit dem Verbot von Trump fertig waren, begannen die Twitter-Verantwortlichen mit der Verarbeitung neuer Macht. Sie bereiteten sich darauf vor, künftige Präsidenten und Weiße Häuser zu sperren – vielleicht sogar Joe Biden. Die 'neue Regierung', so eine Führungskraft, 'wird von Twitter jedoch nur dann gesperrt, wenn es absolut notwendig ist.'"

Das Twitter-Moderationsteam hatte die Verbannung eines amtierenden US-Präsidenten seinerzeit hingegen mit dem "Kontext der Handlungen von Trump und seinen Anhängern im Verlauf der Wahl und – offen gesagt – der letzten vier Jahre" gerechtfertigt.

Außerdem geht aus den Dokumenten hervor, dass der ehemalige Leiter der Abteilung für Vertrauen und Sicherheit, Yoel Roth, diesbezüglich wöchentliche Treffen mit dem Federal Bureau of Investigation (FBI) abhielt. "Während dieser Zeit standen die Führungskräfte auch in engem Kontakt mit den Bundesbehörden und Geheimdiensten, um die Moderation von wahlbezogenen Inhalten zu gewährleisten. Während wir noch am Anfang der Überprüfung der Twitter-Files stehen, finden wir jeden Tag mehr über diese Interaktionen heraus", fügte Taibbi hinzu. Und er erklärte, dass sich der Kontakt zwischen hochrangigen Twitter-Mitarbeitern und Bundesbehörden nach den Unruhen im US-Kapitol gar noch einmal intensiviert hätte. 

"Nach dem 6. Januar zeigen interne Chats, dass Twitter-Führungskräfte einen Kick aus den intensivierten Beziehungen zu Bundesbehörden bekamen", schrieb er auf Twitter. In diesem Zusammenhang wies der unabhängige Journalist darauf hin, dass Yoel Roth, der die Zensur der "Hunter Biden Story" rechtfertigte, sogar beklagt habe, dass er seine Treffen mit dem FBI nicht mehr verheimlichen könne. Doch nicht nur diverse US-Bundesbehörden mischten bei der Wahlkampfmanipulation zugunsten der US-Demokraten mit. "Externer Druck" auf das Unternehmen, Trump von der Plattform zu verbannen, wurde demnach nämlich nicht nur von US-Sicherheitsbehörden, sondern unter anderem auch von der ehemaligen First Lady Michelle Obama ausgeübt. Dies geht aus dem am Samstag von US-Journalist und Buchautor Michael Shellenberger veröffentlichten Teil 4 der Twitter-Files hervor.

"Jetzt ist es an der Zeit, dass die Unternehmen des Silicon Valley aufhören, dieses ungeheuerliche Verhalten zu ermöglichen – und sogar noch weiter gehen, als sie es bereits getan haben. Indem sie diesen Mann dauerhaft von ihren Plattformen verbannen und Richtlinien einführen, die verhindern, dass ihre Technologien von den Führern der Nation benutzt werden, um einen Aufstand anzuheizen", schrieb die Frau des früheren US-Präsidenten Barack Obama in einer langen Erklärung, die am 7. Januar auf Twitter veröffentlicht wurde – einen Tag vor der endgültigen Verbannung Trumps von Twitter. Und sie fügte hinzu:

"Und wenn wir irgendeine Hoffnung haben, diese Nation zu verbessern, ist es jetzt an der Zeit für rasche und ernsthafte Konsequenzen für das Versagen der Führung, das zu der gestrigen Schande geführt hat."

Neben der ehemaligen First Lady forderten auch die Anti-Defamation League und mehrere andere prominente Personen und Organisationen ein Twitter-Verbot für Trump. Später am selben Tag schrieb der damalige Twitter-CEO Jack Dorsey dann eine E-Mail an seine Mitarbeiter, worin er diese aufforderte, "in ihren Richtlinien konsequent zu bleiben, einschließlich des Rechts der Nutzer, nach einer vorübergehenden Sperrung zu Twitter zurückzukehren." Trump war zu diesem Zeitpunkt auf der Plattform suspendiert, allerdings nicht dauerhaft. 

Aus den Akten gehe zudem hervor, dass Twitter eine Politik verfolgte, die als "Ausnahmen im öffentlichen Interesse" bezeichnet wurde und gemäß der gewählte Amtsträger nicht gesperrt wurden, da ein großes öffentliches Interesse an ihren Kommentaren bestand, selbst wenn diese gegen andere Richtlinien zu verstoßen schienen. Diese Richtlinie sei bei der späteren endgültigen Sperre Trumps ausdrücklich und absichtlich ignoriert worden, schrieb Shellenberger auf Twitter. Denn einen Tag nach Dorseys E-Mail wurde Trump aufgrund der Art und Weise, wie seine Beiträge "empfangen und interpretiert" würden, dauerhaft gesperrt.

Auch sei Dorsey zum Zeitpunkt der Verbannung Trumps von Twitter im Urlaub gewesen. "Dorsey war in der Woche vom 4. bis 8. Januar 2021 in Französisch-Polynesien im Urlaub", berichtete Shellenberger. Der frühere Twitter-Chef delegierte einen Großteil der Verantwortung deshalb an leitende Angestellte. Darunter Yoel Roth und die ehemalige Leiterin der Abteilung für Recht und Politik, Vijaya Gadde, die laut Shellenberger "überwiegend progressiv" eingestellt waren. "In den Jahren 2018, 2020 und 2022 gingen 96, 98 und 99 Prozent der politischen Spenden der Twitter-Mitarbeiter an die Demokraten", schrieb Shellenberger in seinem Versuch, die Prozesse hinter der Entscheidung zu erklären, Trump von der Plattform zu verbannen. Er verdeutlichte:

"Im Jahr 2017 twitterte Roth beispielsweise, dass es 'im Weißen Haus derzeit Nazis' gäbe."

Es war schließlich Roth, der nach Erhalt von Dorseys E-Mail, Nachrichten an seine Kollegen schickte, um ihnen eine Neuigkeit mitzuteilen, die mit Aufregung verbunden war. In einer Reihe von Tweets erklärte Shellenberger, wie sie dann darüber diskutiert hätten, ob Trump endgültig von der Plattform suspendiert werden könne. In Abwesenheit Dorseys hätten sie sich während jener Diskussion darauf geeignigt, dass Trump gemäß den Twitter-Richtlinien gesperrt werden könne, da andernfalls das "Risiko weiterer Aufstachelung zur Gewalt" bestehe. Von den Twitter-Mitarbeiten seien laut Shellenberger nahezu keine Bedenken zu Trumps Sperrung geäußert worden – mit Ausnahme eines Mitarbeiters der unteren Ebene, der eine Nachricht mit folgendem Wortlaut schickte:

"Das mag eine unpopuläre Meinung sein, aber einmalige Entscheidungen wie diese, die nicht in der Politik verwurzelt zu sein scheinen, sind meiner ehrlichen Meinung nach eine heikle Angelegenheit... Dies scheint nun ein Erlass eines Online-Plattform-CEOs mit globaler Präsenz zu sein, der die Rede für die ganze Welt kontrollieren kann."

Die am Samstag veröffentlichten Dokumente zeigen, dass Roth daraufhin die Twitter-Richtlinien änderte, damit die Sperre von Trumps Konto gerechtfertigt werden konnte. "In diesem speziellen Fall ändern wir unseren Ansatz für das öffentliche Interesse an seinem Konto", soll Roth laut den Leaks geschrieben haben. Nachdem Musk Twitter gekauft und die Leitung des Unternehmens übernommen hatte, wurde Trumps Zugang zu der Plattform wiederhergestellt. Der ehemalige US-Präsident beabsichtigt jedoch auf seiner Social-Media-Plattform, Truth Social, zu bleiben.

Musk hatte den Kurznachrichtendienst im Oktober übernommen. Sei der Übernahme setzt sich der Milliardär für mehr Meinungsfreiheit auf der Social Media-Plattform ein. Der Milliardär, der sich selbst als "Absolutist der freien Meinungsäußerung" bezeichnet, hatte in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen bestimmt. So etwa ließ er diverse Accounts freischalten, die vor seiner Twitter-Übernahme wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen des Konzerns gesperrt worden waren, darunter auch das Konto des früheren US-Präsidenten Donald Trump. Mit der Veröffentlichung der sogenannten "Twitter Files" will Musk der jahrelangen "Unterdrückung der freien Meinungsäußerung" durch Twitter nun endgültig Einhalt gebieten.

Taibbis und Shellenbergs Enthüllungen sind nunmehr der dritte und vierte Teil dessen, was Twitter-CEO Elon Musk als "Twitter Files" bezeichnet. Während der erste Teil, der Anfang Dezember von dem unabhängigen Journalisten Matt Taibbi veröffentlicht wurde, die Zusammenarbeit des Kurznachrichtendienstes mit der US-Regierung bei der Kontrolle der Geschichte über den Laptop Hunter Bidens vor den Präsidentschaftswahlen 2020 belegt, gewährt der zweite, von Weiss vergangene Woche veröffentlichte Teil Einsicht in die Zensurpraktiken des Konzerns. Der Verdacht, dass Twitter in der Vergangenheit insbesondere konservative Stimmen zensierte, hat sich dank der Arbeit der von Musk beauftragten Journalisten inzwischen bestätigt. 

Twitter hatte seinerzeit außergewöhnliche Schritte unternommen, um eine brisante Geschichte der New York Post zu zensieren. Als die Zeitung den Artikel auf dem Höhepunkt des US-Präsidentschaftswahlkampfs im Jahr 2020 veröffentlichte, hatte Twitter kurzerhand die Verbreitung sämtlicher Weblinks zu dem Artikel unterbunden. Unter anderem konnte der Text daraufhin nicht mehr per Tweet oder Direktnachricht weitergeleitet werden. Twitter hatte die Enthüllungen der New York Post damals zensiert, weil sie angeblich gegen die "Hacked Materials Policy" des Unternehmens verstießen. Nahezu alle Medien hatten es dem Konzern gleichgetan und die Laptop-Geschichte unterdrückt.

Ehemalige führende US-Geheimdienstler diffamierten die in dem Artikel veröffentlichten Recherche-Ergebnisse damals gar als russische Propaganda. Zahlreiche US-Medien haben in den vergangenen Monaten jedoch eine komplette Kehrtwende vollzogen. Sowohl die New York Times als auch die Washington Post, NBC News und Politico bestätigten zuletzt, dass der Inhalt des Laptops authentisch sei. Auch der ehemalige Twitter-CEO Jack Dorsey räumte inzwischen ein, dass es ein Fehler gewesen sei, sich in die Hunter Biden-Story einzumischen.

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