Meinung

Erlebnisbericht: Wie die Ukraine in Donezk ein Hotel voller Journalisten bombardiert

Ein weiterer Angriff der Kiewer Truppen hat das Zentrum von Donezk heimgesucht und fünf Menschenleben gefordert, darunter das eines Kindes. Ziele des Angriffs waren die Trauerfeier für eine gefallene Kriegsheldin der Volksrepublik Donezk und ein Hotel, in dem zahlreiche Journalisten wohnen und arbeiten.

Ein Bericht von Eva Bartlett

Am vergangenen Donnerstag um 10:13 Uhr Ortszeit begann die ukrainische Armee erneut, das Zentrum von Donezk mit Artillerie zu beschießen. Innerhalb von zehn Minuten waren fünf mächtige Einschläge zu hören. Die letzte Explosion sprengte sämtliche Fenster in der Lobby meines Hotels weg, einschließlich der Glasfassade einer Lounge – in der sich oft Journalisten aufhalten, entweder bevor sie zur Berichterstattung an die Front aufbrechen oder wenn sie davon zurückkommen. Diese Lounge hatte ich etwa eine Minute vor dem Einschlag im Hotel durchquert. Der Assistent eines Kameramanns, der sich zum Zeitpunkt der fünften Explosion dort aufhielt, erlitt durch die Druckwelle der Explosion eine Gehirnerschütterung.

Eine Frau, die im Augenblick des Einschlags vor dem Gebäude vorbeiging, wurde auf der Stelle getötet, ebenso vier weitere Menschen, darunter ein Soldat und eine Großmutter mit ihrer sechsjährigen Enkelin. Telegram-Kanäle aus Donezk wurden mit Videoaufnahmen geflutet, die von Passanten aufgenommen wurden, und in denen Tote, Verletzte sowie die Schäden und entsetzte Menschen zu sehen sind. Einer dieser schwer zu ertragenden Telegram-Beiträge (Warnung: verstörende Aufnahmen) zeigt einen Mann, der in einer Straße, zwei Blocks vom Hotel entfernt, den grausamen Anblick der Leichen seiner ermordeten Frau und seines Enkels ertragen muss. Die Zahl der Verletzten war zu dem Zeitpunkt, als dieser Bericht verfasst wurde, noch nicht endgültig bekannt. Nach ersten Schätzungen liegt die Zahl bei mindestens zehn, darunter ein Sanitäter und ein Arzt.

Wenn man Nachrichten liest, dann hat man den Vorteil, dass man vor verstörenden Aufnahmen gewarnt wird und hat somit die Wahl, sich die Bilder und Videos des Gemetzels, das sich am vergangenen Donnerstag in Donezk ereignet hat, sowie jene aus den vergangenen acht Jahren des ukrainischen Krieges im Donbass, nicht anzusehen. Die Menschen hier vor Ort bekommen aber keine Warnung und haben auch keine Wahl, ob sie die verstümmelten Überreste eines geliebten Menschen oder eines Fremden sehen wollen oder nicht. So unangenehm es auch ist, sich solche Aufnahmen anzusehen, sie müssen gezeigt werden, wenn die Welt die Wahrheit darüber erfahren soll, was im Donbass vor sich geht; und um den Einheimischen eine Stimme zu geben, die von ukrainischen Streitkräften getötet und terrorisiert werden, während westliche Konzernmedien lieber woanders hinschauen oder gar versuchen, diese Verbrechen zu vertuschen.

Chronologie eines Artillerieangriffs

Als der Beschuss begann, war ich in meinem Zimmer und bearbeitete Aufnahmen vom Vortag über die Folgen eines anderen Beschusses in einem Stadtbezirk von Donezk. Was man aus den meisten westlichen Medienberichten nie erfährt, ist, dass der Beschuss durch Artillerie hier so häufig ist, dass ich der ersten Explosion zunächst kaum Beachtung schenkte, außer dass sie mir lauter als gewöhnlich erschien und die Alarmanlagen der geparkten Autos in der Umgebung losgingen.

Sieben Minuten später gab es eine weitere Explosion, diesmal wesentlich lauter und wesentlich näher. Durch die Fenster war Rauch zu sehen, der in nördlicher Richtung zum Himmel stieg, ungefähr 200 Meter entfernt. Dies wäre somit direkt in der Nähe des Opernhauses, wo die Trauerfeier für eine in der vergangenen Woche gefallene Kommandeurin der Volksrepublik Donezk, Olga Katschura, gerade begonnen hatte.

Eine Minute später trieb mich ein weiterer lauter Knall aus meinem Zimmer, das sich gegenüber den Einschlägen der Artillerie befand. Glücklicherweise war der einzige Schaden am Ende ein zerborstenes Fenster. Unten in der Lobby suchten Journalisten, die sich im Hotel aufgehalten hatten, und weitere, die draußen standen, vorerst Schutz im Flur, bereit in den Keller zu fliehen, falls die Dinge eskalieren sollten. Einer meiner Kollegen berichtete mir, er habe sich gerade auf eine Berichterstattung vorbereitet und sei etwa zehn Meter von der Stelle entfernt gewesen, an der die letzte Granate einschlug. "Ich glaube, sie haben versucht, die Trauerfeier ins Visier zu nehmen. Aber auch uns Journalisten", sagte er und berichtete weiter, dass draußen wohl eine Frau liege, der ein Bein weggerissen wurde, und die wahrscheinlich inzwischen tot sei.

Man könnte annehmen, dass das einzige beabsichtigte Ziel der Kiewer Streitkräfte die Trauerfeier für Oberst Katschura war, vielleicht mit dem Ziel, eine Botschaft an das Militär und an die Zivilisten der Volksrepublik Donezk zu senden. Neben dem Umstand, dass dies an sich schon ungeheuerlich wäre, ist es unwahrscheinlich, dass ein Hotel, in dem bekanntermaßen Journalisten untergebracht sind, nur ein "Kollateralschaden" war. Die Ukraine verfolgt, zensiert, verhaftet, foltert, nimmt Medienmitarbeiter routinemäßig ins Visier und setzt sie auf Tötungslisten.

Die Streitkräfte von Kiew wissen genau, dass viele Journalisten wegen seiner zentralen Lage und seines stabilen WLANs in diesem Hotel wohnen. Viele senden ihre Live-Berichte häufig im Freien, direkt vor dem Hotel. Und sie sind ausgerechnet diejenigen, die darüber berichtet haben, dass die Ukraine über der Stadt die heimtückischen, international verbotenen "Schmetterlings"-Minen gestreut hat – der neueste Punkt auf der Liste von Kiews Kriegsverbrechen. Zumindest bis heute. Diese Anti-Personenminen sind nicht dazu konzipiert, jemanden, der auf sie tritt, zu töten, sondern um Füße oder ganze Gliedmaßen abzureißen. Kinder hingegen, insbesondere Kleinkinder, riskieren aufgrund ihrer geringen Körperhöhe den sicheren Tod. Die Ukraine hat wiederholt Raketen abgefeuert, die solche Minen als Streumunition enthielten, und sie absichtlich auf zivile Gebiete in Donezk und andere Städte im Donbass gerichtet.

Nach den Explosionen im Zentrum von Donezk trafen die Rettungsdienste am Ort des Geschehens ein. Nachdem sich die Lage beruhigt hatte, gingen wir Journalisten hinaus auf die umliegenden Straßen, um die Schäden und die Toten zu dokumentieren. Die Frau, von der mir erzählt worden war, lag in einer Blutlache, bedeckt mit einem Vorhang, der aus einem der geborstenen Fenster geflogen war.

Lange hielt dir Ruhe nicht an. Die Ukraine nahm den Beschuss umgehend wieder auf und wir rannten zurück ins Gebäude, sobald die ersten Einschläge zu hören waren. "Es ist das übliche Vorgehen, sie schießen auf einen Ort und beschießen ihn anschließend noch einmal. Wir sind also gerade mitten drin", sagte mir ein Serbe, der in meiner Nähe stand. Der Chef des örtlichen Hauptquartiers für Notfallsituationen berichtete mir, dass Kiews Truppen oft auch dreifach beschießen, nicht nur doppelt.

Es wird vermutet, dass die Ukraine bei diesem Angriff eine Standardwaffe der NATO vom Kaliber 155 mm eingesetzt hat. Wenn das stimmt, ist dies ein weiterer Beleg dafür, dass die Ukraine vom Westen gelieferte Waffen einsetzt, um Zivilisten in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk abzuschlachten, zu verstümmeln und zu terrorisieren.

Wenn Kiew durch den Angriff auf ein Hotel voller Journalisten, diese davon abbringen wollte, über die begangenen Kriegsverbrechen der Ukraine zu berichten, dann wird diese Methode keinen Erfolg haben. Die meisten Journalisten, die hier vor Ort berichten, tun dies, weil wir, im Gegensatz zum Westen, mit seinen Krokodilstränen für die von ihm selbst verursachten Konflikte, tatsächlich um das Leben der Menschen hier besorgt sind.

Übersetzt aus dem Englischen.

Eva Bartlett ist eine kanadische freie Journalistin und Aktivistin. Sie hat Jahre vor Ort in Konfliktzonen im Nahen Osten verbracht, insbesondere in Syrien und Palästina (wo sie fast vier Jahre lang lebte). Sie twittert unter @EvaKBartlett

Mehr zum Thema - Der "Fleischwolf" von Peski: Wie die ukrainische Führung ihre Soldaten opfert

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.