Meinung

Nord Stream 2 – Der wahre Grund für den Abscheu der US-Regierung

Das russische Angebot zur Energieversorgung die Pipeline Nord Stream 2 zu nutzen, trifft in der deutschen Politik weiter auf Ablehnung. Gerade erst hat das Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bekräftigt. Dies liegt ganz im Sinne der USA, die alles dafür getan hat, das Projekt zu stoppen. Eine RT-Analyse zeigte die wahren Hintergründe bereits im April 2021.
Nord Stream 2 – Der wahre Grund für den Abscheu der US-RegierungQuelle: www.globallookpress.com © Ohde/face to face

Eine Analyse von Thomas J. Penn

US-Außenminister Antony Blinken hat den Diplomaten Amos Hochstein als Top-Berater für Energiesicherheit ernannt, der sich um eine "Reduzierung der Risiken" der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 bemühen soll, meldete das Handelsblatt am 10. April 2021. "Hochstein war zuvor Vorstandsmitglied des ukrainischen Gasunternehmens Naftogaz. Er ist auf beiden Seiten des Atlantiks sehr gut vernetzt, und sein Hauptziel wird es sein, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um dem Gaspipeline-Projekt zu schaden", kommentierte ich damals und schrieb weiter:

Als US-Bürger, der allerdings seit vielen Jahren in Deutschland lebt, wäre meine erste Frage an die Biden-Administration: Wo ist die rechtliche Grundlage in der US-Verfassung für die Ernennung eines sogenannten "Sonderbeauftragten für Nord Stream 2", dessen einzige Aufgabe darin besteht, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um ein für beide Seiten vorteilhaftes Energieprojekt zwischen zwei angeblich völlig souveränen Nationen – Deutschland und Russland – zu untergraben? Ungeachtet aller juristischen Argumente, die die Biden-Administration vorbringen könnte, gibt es dafür keine rechtliche Grundlage. Allerdings ist die US-Verfassung seit vielen Jahrzehnten leider nicht mehr als ein Relikt.

Noch wichtiger ist, dass die Ernennung eines "Sonderbeauftragten für Nord Stream 2" aus einer breiteren globalen Perspektive ein deutlicher Hinweis auf die spürbare Verzweiflung der US-Regierung ist, die Fertigstellung dieser Pipeline zu verhindern. In den Vereinigten Staaten ist der Widerstand gegen Nord Stream 2 überhaupt kein parteipolitisches Thema. Schließlich sind sowohl Demokraten als auch Republikaner sowie viele Beamte auf den höchsten Regierungsebenen vehement gegen dieses Projekt. Und warum? Warum stehen Gruppen von Menschen, die sich sonst nie einig sind, hier plötzlich in völliger Solidarität zusammen, wenn sie mit der Aussicht auf eine fertige und funktionierende Nord-Stream-2-Pipeline konfrontiert werden? Wovor hat jeder US-Regierungsvertreter so viel Angst?

Vergessen Sie alles, was Sie bisher von den westlichen Quasselstrippen über Nord Stream 2 gehört haben. Die Regierung der Vereinigten Staaten ist nicht an Menschenrechten, der Umwelt oder daran interessiert, dass US-amerikanische Produzenten ihr Fracking-Gas nach Europa verkaufen können. Die Regierung der Vereinigten Staaten ist als Emittent der Weltreservewährung nur an einer Sache interessiert: der Proliferation des US-Dollars. Diese einzige Tatsache ist alles, was man begreifen muss, um die Außenpolitik der USA wirklich zu verstehen.

Was bedeutet das in der Praxis? Es bedeutet einfach, dass die US-Regierung, in Absprache mit der US-Notenbank, die Fähigkeit hat, ihre Währung nach Belieben zu drucken, einfach weil sie der Emittent der Weltreservewährung ist und ihre Inflation in die übrigen Nationen der Welt exportieren kann. Jede Nation, die sich im internationalen Handel engagieren möchte, einschließlich des Kaufs von Rohstoffen wie Erdgas oder Öl, muss riesige Dollarreserven vorhalten, um ihre Käufe zu ermöglichen.

Die Welt fungiert in der Tat als Schwamm, um die US-Inflation zu absorbieren, was es der US-Regierung ermöglicht, obszöne Defizite aufzubauen, die einen massiven Militärhaushalt ermöglichen und einen sehr kleinen Teil der US-Bevölkerung auf Kosten nicht nur der Weltbevölkerung, sondern auch der amerikanischen Arbeiterklasse bereichern. Dieser unverdiente Überfluss an Macht wiederum erlaubt es zum Beispiel Unternehmen wie Amazon, Tesla und all den anderen US-Multis, die leichten Zugang zu dieser Geldschöpfungsmaschine haben, immer größer zu werden – und das ganz unabhängig von ihrer realen wirtschaftlichen Lebensfähigkeit. Das geht natürlich auf Kosten der kleinen Unternehmen – sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Westeuropa und zunehmend auch in Osteuropa.

Was jene Nationen betrifft, die sich vom US-Dollar befreien wollen, so wissen wir nur zu gut, was die USA für sie bereithält. Zur Erinnerung hier einige Beispiele für Nationen, die sich weigerten, die Dollar-Hegemonie zu akzeptieren: der Irak, Libyen, Iran, Venezuela, die Ukraine, Syrien. Das ist der Punkt, an dem die Russische Föderation ins Spiel kommt. Wer wirklich verstehen will, warum das US-Establishment Russland unter Wladimir Putin hasst, muss nur die Rolle des Dollars auf der Welt verstehen. Russland ist eine direkte Bedrohung für die Proliferation des US-Dollars.

Die Russische Föderation ihrerseits ist im Laufe der letzten 20 Jahre ziemlich widerstandsfähig und viel weniger anfällig für jeglichen Druck oder Einfluss von außen geworden. Russland ist in der Tat eine souveräne Nation, die sich nicht von den Vereinigten Staaten einschüchtern lässt. Während die US-Regierung im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts damit beschäftigt war, Terroristen zu jagen, die sie selbst geschaffen hatte, haben Putin und die russische Bevölkerung hart daran gearbeitet, die Russische Föderation wiederaufzubauen. Tatsächlich ist Russland so stark geworden, dass es jetzt sogar genug Macht projizieren kann, um andere souveräne Nationen zu schützen, die sich vom US-Dollar lösen wollen oder von vornherein nichts mit ihm zu tun haben wollten – Syrien ist das beste Beispiel.

Die Vereinigten Staaten können nicht einfach einen Militärschlag gegen die Russische Föderation führen, wie sie es im Irak und vielen anderen Nationen, die die Dollar-Hegemonie ablehnten, getan haben. Russland hat jetzt die Macht, die Proliferation des US-Dollars zu verhindern. Um auf die Analogie mit dem Schwamm zurückzukommen: Russland reduziert die Größe des Schwamms. Dadurch bleibt der US-Regierung eine immer kleinere Anzahl an Ländern, in die sie die Dollar-Inflation exportieren kann. Je kleiner der Schwamm wird, desto verzweifelter wird die US-Außenpolitik, da die US-Führung mit allen Mitteln versucht, ihren Griff nach der Weltmacht zu bewahren.

Was Nord Stream 2 betrifft, so wird die US-Regierung nach der Fertigstellung der Pipeline keine Kontrolle über diese haben. Vor allem aber werden die Vereinigten Staaten keine Kontrolle über die Währung haben, die bei der Preisbildung für das Gas, das durch Nord Stream 2 fließt, verwendet wird. Das bedeutet, dass das Gas, das durch diese Pipeline fließt, in Euro, Rubel, einer goldgedeckten Währung oder einer anderen Währung, auf die sich die Russische Föderation und die Bundesrepublik Deutschland einigen, bepreist werden kann. Das Besondere an Nord Stream 2 ist, dass das US-Militär machtlos ist, es zu verhindern. Die US-Regierung kann keinen Krieg gegen ein geeintes russisch-deutsches Bündnis führen, wie sie es im Irak tun konnte.

Die Fertigstellung von Nord Stream 2 wird ein enormer Schlag für die Macht und das Prestige der USA sein. Um noch einmal die Analogie mit dem Schwamm zu verwenden: Diese Pipeline wird den Schwamm schrumpfen lassen, der die US-Inflation aufsaugt. Die Dollars, die in Europa in ausländischen Reserven gehalten werden, werden nicht mehr nötig sein, um das Gas zu kaufen, das durch diese Pipeline fließt. Diese überschüssigen Dollars müssen daher nicht mehr gehalten werden und werden ihren Weg zurück in die Vereinigten Staaten finden, was zu einem erhöhten Inflationsdruck in den USA führt.

Wenn sich dann andere Nationen entscheiden, dem russisch-deutschen Beispiel zu folgen, müssten sich die US-Politiker schließlich mit der obszönen Inflation auseinandersetzen, die sie selbst geschaffen haben. Sie müssten sich letztlich dem Zorn der US-Bürger stellen, die sie verraten und verkauft haben, um den Status quo auf Kosten aller anderen zu stützen. Nord Stream 2 ist ein großer Schritt nach vorn, um die Nationen der Welt auf eine gleiche Ebene zu bringen. Den Vereinigten Staaten sollte es nicht länger erlaubt sein, andere Nationen zu dominieren, nur weil sie den unverdienten Status des Emittenten der Weltreservewährung haben. Wenn die Vereinigten Staaten ein echter Partner auf der Weltbühne sein möchten, sollten sie damit beginnen, wieder reale Güter zu produzieren, mit denen sie handeln können, anstatt Papierdollar zu verwenden, um andere zu übervorteilen, die tatsächlich reale Güter produzieren.

Wir stehen in Europa vor einer monumentalen Wahl. Die erste Option ist die Fertigstellung von Nord Stream 2, die die Tür zu einem neuen Paradigma öffnen kann. Das ist eine Chance für Deutschland, mit Russland als gleichberechtigter Partner zusammenzuarbeiten, auf Augenhöhe, mit einem Zahlungsmechanismus nach gemeinsamer, bilateraler Wahl. Das ist echte wirtschaftliche Freiheit, echte Souveränität. Die zweite Option bedeutet, dass wir unter dem Stiefelabsatz des aktuellen, auf dem US-Dollar basierenden Systems gefesselt blieben.

Dieses System wird von tief verwurzelten Interessen kontrolliert und zerstört unseren Planeten und die Zukunft unserer Nachkommen, indem es ihnen unzählige zukünftige Geschäftsmöglichkeiten auf Kosten der US-Interessen vorenthält. So sieht Unterjochung aus. Wenn die US-Regierung uns sagt, dass etwas nicht gut für uns ist, bedeutet das einfach, dass es nicht gut für sie ist. Nord Stream 2 ist ein fundamentaler Baustein auf dem Weg zu echter und dauerhafter deutscher Souveränität. Deutschland kann es sich nicht leisten, die große Chance zu verspielen, die Nord Stream 2 bietet.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Thomas J. Penn ist US-Amerikaner und lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Er war Unteroffizier der Infanterie bei der US Army. Penn studierte Finanzwirtschaft und Management und verfügt über umfangreiche Erfahrungen auf den Finanzmärkten. Sie können ihn auf Twitter unter @ThomasJPenn erreichen.

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