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Scholz ließ sich beim Pokern um Panzer von Biden ausstechen und hat als Vermittler verspielt

NATO-Panzer werden Kiews Park an noch sowjetischen Maschinen erweitern – gerade rechtzeitig, um an seiner Offensive gegen Russlands Landkorridor in der Krim in den nächsten Wochen teilzunehmen. Kanzler Scholz hat als möglicher Vermittler verspielt – dank seiner Art zu verhandeln.

Eine Analyse von Stanislaw Borsjakow

Nach einer Reihe von Witzen über den "GRU-Agenten Olaf Scholz", Drohungen aus Polen und heftigem Feilschen mit den USA stimmte der deutsche Bundeskanzler nun doch der Lieferung von Leopard-2A6-Panzern an die Ukraine zu. Die Umstände dieser Überredungen sagen nichts Neues über die Konfrontation zwischen Russland und dem Westen aus – dafür sehr viel über Scholz persönlich.

Zwei Tage wurde auf Scholz Druck gemacht – und sie haben es geschafft. Zum dritten Mal in seiner Geschichte wird Deutschland seine Panzer in die Ukraine schicken, die entgegen allen Warnungen von Otto von Bismarck Russland entgegengestellt werden sollen. Auch das Ergebnis dürfte mehr oder minder dasselbe werden.

Warum Berlin nicht gleich beim Treffen der ukrainischen Verbündeten auf der Militärbasis Ramstein sofort seine Zustimmung zur Lieferung schwerer Panzer an Kiew gegeben hatte, weiß man nicht genau.

Ebenso wenig auch, was der Hals über Kopf eingereichte Rücktritt der deutschen Verteidigungsministerin am Vorabend dieses Treffens damit zu tun hatte. Vielleicht zögerte Scholz ja wegen des pazifistischen Flügels in seiner Partei – die SPD ist die älteste Partei in Deutschland und trat schon während des ersten Kalten Krieges und der Berliner Mauer für eine Zusammenarbeit mit Moskau ein. Scholz selbst mag bei dem Gedanken, dass zum dritten Mal deutsche Panzer gegen Russland eingesetzt werden sollten, regelrecht zusammengezuckt sein (oder auch nicht – Anm. d. Red.).

Wie dem auch sei: Der Bundeskanzler griff auch noch nach dem letzten Strohhalm – er verlangte, dass die USA ebenfalls schwere Panzer an die Ukraine liefern (und damit die Verantwortung für die Eskalation mittragen) – wohl wissend, dass das Pentagon die Lieferung seiner M1 Abrams aus technischen (und, wie sich später herausstellen sollte, merkantilen) Gründen kategorisch ablehnte. Sie seien kompliziert zu bedienen, teuer im Unterhalt und Gebrauch, erfordern ständige vorbeugende Wartung durch hochspezialisiertes Personal, so die US-Militärs. Kurzum, sie würden den ukrainischen bewaffneten Formierungen generell kaum helfen können, sondern sie eher belasten. Die deutschen Leopard-Panzer in moderner Ausführung haben diese Nachteile nicht im selben Maße.

Das Pentagon führte bezeichnenderweise auch danach noch Argumente dagegen an: Erstens habe man selbst nicht genügend Abrams-Panzer auf Lager, zweitens seien sie wartungs- und versorgungstechnisch für die Ukraine zu anspruchsvoll, so zum Beispiel Vize-Sprecherin Sabrina Singh. Doch Panzer werden trotzdem in die Ukraine geliefert – und zwar neben den deutschen ausdrücklich eben doch auch US-amerikanische. US-Präsident Joe Biden beschloss, Scholz den Sieg in dieser Diskussion zu überlassen, und sagte einige M1 Abrams zu – fast schon nach dem Motto "Erstick daran!!", als hätte er sie sich persönlich vom Mund abgespart. Aber sie werden speziell für die Ukraine aus der Langzeitlagerung beschafft und aufbereitet, ohne dass die eigenen aktiven Bestände des US-Militärs dafür angetastet werden müssen.

Dieser US-amerikanisch-deutsche Feilschbasar fand hinter den Kulissen statt – aber gleichzeitig auch so, als ob er live im Fernsehen übertragen würde. Die größten Medien der Welt berichteten mit Quellenangaben über alle Zwischenergebnisse – und diese Aufregung ist verständlich: Immerhin geht es um den Dritten Weltkrieg. Was davon reine Spekulation ist und was echte Nachrichten, darüber kann man heute lange raten.

Von außen aber sah es so aus: Biden hat zehn Abrams-Panzer wie Pokerchips auf den Spieltisch geworfen (laut arabischen Medien). Scholz, durch seine eigene Strategie in die Enge getrieben, musste mitgehen – und gab denn auch Leopard 2 für eine Kompanie, also maximal 14, frei.

Als die US-Cowboys merkten, dass ihre Taktik funktionierte, gingen ihnen gleichsam die Pferde durch. Wenige Stunden später war in den Medien bereits von 30 US-amerikanischen Panzern die Rede, dann sogar von "bis zu 50", die das Weiße Haus angeblich bis Ende der Woche ankündigen wollte. Daraufhin beschloss Berlin, den Einsatz zu deckeln, und kündigte offiziell die Lieferung einer Kompanie Leopard 2 in der A6-Modifikation für die unmittelbare Zukunft und einer weiteren Kompanie zu einem späteren Zeitpunkt an (auch die Lieferungen der US-amerikanischen Abrams in unklarer Stückzahl sind zeitlich gestreckt – einige jetzt, einige später).

Ob das viel oder wenig ist, liegt im Auge des Betrachters. Waleri Saluschny, der Stabsleiter der ukrainischen Streitkräfte, erklärte, dass er 300 NATO-Panzer benötige. Michail Podoljak, Berater und Sprecher des ukrainischen Präsidialamtes, möchte 400 Stück, dann könne die Ukraine "diesen Krieg innerhalb weniger Monate beenden". Laut denselben Quellen glaubt US-Präsident Biden sogar, dass die Ukraine mindestens 500 neue Kampfpanzer benötigt.

Das Ziel des laufenden Spiels ist es, in kurzer Zeit quasi aus dem Nichts wenigstens etwas zusammenzuklauben. Zwar sind die M1 Abrams eine Sache der Zukunft (mit der möglichen Ausnahme einzelner Fahrzeuge zur Erprobung), aber die Leopard 2 sind eine Sache der Gegenwart, sie sollen schon in den nächsten Wochen in die Ukraine kommen, heißt es.

Inzwischen sind mindestens zwölf NATO-Staaten bereit, Kiew Panzer zur Verfügung zu stellen. Dabei handelt es sich um Beiträge, die eher je nach Inventar als nach dem Grad des politischen Engagements geleistet werden: So wird Polen mehr als andere bereitstellen (auch mindestens eine Kompanie), wohingegen die fast ebenso antirussische und proukrainische Regierung der Tschechischen Republik nichts bereitstellen wird – das Land braucht alles selbst dringender. Norwegen wird sich acht Panzer vom Herzen reißen, und Belgien würde zwar gerne, aber es hat alle seine Leopard-Panzer vor zehn Jahren verkauft.

Etwa zwei Bataillone – bis zu 50 Fahrzeuge, die innerhalb eines Monats bei den bewaffneten Formierungen der Ukraine auftauchen werden – können somit zusammenkommen. Natürlich handelt es sich nicht um die 300 Einheiten, von denen General Saluschny bei seinen Anträgen sprach (im Übrigen im Vergleich zu vielen anderen ziemlich bescheiden) – aber man muss noch schweres Gerät nach sowjetischem Standard hinzuzählen, das Kiew noch hat, einschließlich Panzern.

Es liegt auf der Hand, dass dieses Ensemble für die nächste Offensive der ukrainischen Streitkräfte benötigt wird (für andere Zwecke braucht es keine Panzer), die allem Anschein nach noch vor dem Frühlingstau und der Verschlammung der Felder und Grundstraßen beginnen soll – daher die Eile. Eine solche Aussage wird von den Worten des Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel vor einigen Tagen ermöglicht:

"Was im Jahr 2023 passiert – und vieles davon hängt von den nächsten Wochen ab –, wird unsere Zukunft bestimmen."

Etwa zur gleichen Zeit beschrieben mehrere Artikel in den US-Medien, wie doch Berater aus Washington Kiew davon abrieten, Kräfte für die Verteidigung von Soledar und Artjomowsk aufzuwenden – und stattdessen vorschlugen, sich auf einen "Angriff im Süden" zu konzentrieren. Es ist davon auszugehen, dass der Zweck eines solchen Angriffs darin besteht, Russlands sogenannten "Landkorridor zur Krim" zu zerstören.

Den Ort, an dem dieser Angriff tatsächlich stattfinden würde, muss die Führung der russischen Streitkräfte ermitteln – und angemessene Gegenmaßnahmen festlegen. Generell ist aber klar, dass nach den Gegenmaßnahmen diese Leopard-Panzer im unversehrten Zustand nur im Panzermuseum in Kubinka bei Moskau anzutreffen sein müssen.

Was die rein politischen Schlussfolgerungen aus dieser Geschichte betrifft, so läuft der zweite Kalte Krieg mit globaler Konfrontation zwischen Russland und den Vereinigten Staaten seinen Weg zum Dritten Weltkrieg. Und etwas grundlegend Neues lässt sich heute nur noch über Bundeskanzler Scholz sagen.

Scholz hat als "Friedensstifter" und Vertreter des "gemäßigten Flügels" in Deutschland und in der gesamten EU gleichermaßen völlig versagt. Anstatt NATO-Panzer im Wert von wenigstens einer Kompanie kurz vor der Ukraine aufzuhalten, schickte er gleich Panzer im Wert von gleich zwei Kompanien hin und handelte die Entsendung von US-Panzern im Wert von zwei weiteren Kompanien aus.

Und für die NATO-Falken hat er sich mit seinem zweitägigen Zögern bloß zu einem Enfant terrible und verweichlichten Waschlappen gemacht, der über sechs Monate hinweg getätigte milliardenschwere Investitionen beinahe zunichte gemacht hätte. Sprich, Investitionen in den Sieg des Westens über Russland in der Ukraine, dessen Glaubwürdigkeit eigentlich die kommende Offensive Kiews mit den neuen alten NATO-Panzern bestätigen soll.

Somit sehen wir, dass Deutschland seinen Rückzieher haargenau dann machte, als es von Polen mit politischer Isolierung bedroht wurde.

Auch bezweifelt niemand, dass Berlin die notwendige Genehmigung für die Wiederausfuhr deutscher Panzer in die Ukraine Warschau erteilt hat, nicht weil es das wollte. Vielmehr wäre sein "Veto" ansonsten von den Polen demonstrativ missachtet worden – was diese auch deutlich machten.

Das heißt, als starke Figur und Führungspersönlichkeit innerhalb der NATO hat Scholz ebenfalls völlig versagt. Und als Politiker, der in der Lage ist, die nationalen Interessen seines Landes zu verteidigen, hat er schon viel früher versagt

Aber sein Hauptversagen wird erst später folgen. Bereits zweimal hat es sich in der Geschichte erwiesen, dass ein jeder deutsche Versuch, Panzer gegen Russland loszuschicken – auch und gerade in die Ukraine –, gescheitert ist. Um es ein drittes Mal mit wenigstens nominaler Aussicht auf Erfolg zu versuchen, braucht es schon eine außergewöhnliche Führungspersönlichkeit. Doch Scholz ist, wie oben erwähnt, eben als Führungspersönlichkeit ein Loser und als Politiker bankrott, sodass er per definitionem nicht mit Erfolg rechnen kann.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad. 

Mehr zum Thema – "Russland bis Sommer 2023 vernichten": Die NATO will mehr als nur einen Sieg auf dem Schlachtfeld 

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