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Greift "General Frost" in den Krieg ein? Wenn ja, auf wessen Seite?

"General Frost" (russisch "General Moros") dient deutschen Geschichtsinteressierten häufig dazu, die deutsche Niederlage in der Schlacht um Moskau im Winter 1941/42 zu erklären. Nun fürchtet sich die Ukraine vor diesem Fabelwesen. Dass die ukrainische Armee jedoch schlecht auf das für alle gleiche Wetter vorbereitet ist, hat banale irdische Gründe.
Greift "General Frost" in den Krieg ein? Wenn ja, auf wessen Seite?Quelle: Gettyimages.ru © Illustration aus dem 19. Jahrhundert

Von Wiktor Sokirko

Die europäischen Länder beginnen derzeit damit, die ukrainische Armee beschleunigt mit Winterausrüstung zu versorgen. "General Frost", so die in Europa verbreitete Meinung, könnte sich wieder auf die Seite Russlands stellen. Wie gut sind die beiden Streitkräfte auf die Winterkampagne vorbereitet?

Über die zu erwartende Unterstützung der russischen Truppen in der Ukraine durch "General Frost" sprach kürzlich der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell. Zwar hat Borrell keinen Tag in der Armee gedient, doch erinnerte er sich an den militärischen Aspekt des bevorstehenden kalten Wetters und nicht nur an das Durchfrieren Europas aufgrund der Energiekrise. In Anspielung auf die Niederlage der Nazis bei Moskau im Winter 1941/1942 erinnerte er daran, dass die Kälte auf der Seite der Russen sei. Und nun werde die ukrainische Armee es wohl nicht leicht haben, mit diesem mythologischen "General Frost" fertigzuwerden.

Der ukrainische Verteidigungsminister Alexei Resnikow, im Hauptberuf ebenfalls Zivilist, erinnerte sich anscheinend an seinen Militärdienst als Gefreiter in der sowjetischen Luftwaffe und vertrat einen pragmatischeren Ansatz bezüglich der bevorstehenden Kälte. Noch Anfang September hatte er die NATO-Führung aufgefordert, Winteruniformen für die ukrainischen Streitkräfte zu besorgen – in einem Paket mit den Flugabwehrraketen. Die Forderung nach warmen Unterhosen wurde mit 200.000 Stück beziffert.

1991 erbte die Ukraine von der Sowjetunion eine Vielzahl von Arsenalen und Depots, darunter auch solche mit Bekleidung. Millionen von Mänteln, Wattejacken, Filzstiefeln, Pelzhüten und sogar Schafsfellmänteln für die Wächter wärmten zuverlässig, waren aber unbequem. Später sah man Bauern der Umgebung in diesen wärmenden Uniformen, die sie jeweils gegen eine Flasche Schnaps vom diensthabenden Feldwebel im Lagerhaus eingetauscht hatten.

Dieselbe Situation wurde zunächst auch bei der russischen Armee beobachtet, die nach 1991 ebenfalls alte sowjetische Kleidung abtrug. Allerdings war dies nicht von langer Dauer, denn der Krieg in Afghanistan hatte schon zuvor Neuerungen der Uniformen eingeleitet. Mitte der Achtziger erschien die sogenannte "experimentelle Kleidung", die Sommer- und Wintervariante, und statt Lederstiefeln Kampfstiefel, auch wenn sie anfangs nicht so perfekt waren. Auf dieser Grundlage entwickelte die russische Armee bald neue Uniformen, die die sowjetischen ablösten.

Die Neueinkleidung der ukrainischen Streitkräfte ging wesentlich langsamer vonstatten. Irgendwann in den frühen 2000er-Jahren kamen Kurzjacken in Mode, die jedoch nur wenigen vorbehalten waren – den Spezialeinheiten der Armee, dem technischen Personal und natürlich den Fahrern von Kommandofahrzeugen. Die vollständige Umrüstung der Truppen auf Uniformen nach westlichem Zuschnitt fand in der Ukraine nach 2014 statt. Zu dieser Zeit kam die Bekleidung mit dem "Dubok"-Tarnanstrich auf, die sich aber in den Feldversuchen als unpraktisch und dazu als sehr teuer erwies. Kurz gesagt, sie entsprach nicht den NATO-Standards.

Die nächste Entwicklung war wesentlich erfolgreicher. Das neue Set enthält sechs unabhängige Schichten, die je nach Wetterbedingungen kombiniert werden. Dazu gehörten auch Handschuhe, ein Schal und eine Wintermütze aus Fleece. Die Tests verliefen erfolgreich, allerdings hatte die Bekleidung sichtbare Nachteile, wenn die Soldaten zu körperlicher Betätigung übergingen.

Dass die Ukraine sich nun Uniformen aus dem Westen erhofft, ist kein Zufall. Sie hat nicht genug eigene. Einer der Gründe dafür ist die Zerstörung der Depots durch hochpräzise Raketentreffer der Russen (offenbar lagerten die Jacken zusammen mit Raketen). 

So erklärt der ehemalige Offizier der Logistik der russischen Streitkräfte, Oberst der Reserve Alexander Kolpakow, der Zeitung Wsgljad den plötzlichen Mangel an Winterkleidung beim Gegner:  

"Es fehlte plötzlich an genügend Vorrat an Bekleidung, als diese in größeren Mengen benötigt wurde. Grob gesagt wurden im Vorjahr Sets für 225.000 Soldaten angefertigt, so viele, wie die AFU zu Beginn der Spezialoperation in ihren Reihen hatte. Man ging davon aus, dass im nächsten Jahr die gleiche Menge bestellt werde, doch die Situation hat sich grundlegend geändert, und der Bedarf an Uniformen ist erheblich gestiegen. Die Schneidereien können ihre Produktion nicht in kurzer Zeit verdreifachen, selbst wenn sie auf 'Militärschienen' umsteigen."

Ein "Winterpaket" für die Ukraine, das nicht nur Waffen, sondern auch warme Kleidung umfasst, wurde von den Vereinigten Staaten, Kanada, Schweden und Finnland zugesagt, wo man sich mit warmen Unterhosen gut auskennt. Die Bereitschaft winterliche Hilfe zu leisten, wurde auch von Deutschland bekundet. Dabei wird die Suche nach winterfestem Stoff laut Spiegel dadurch erschwert, dass die meisten westlichen Länder ihre Lager größtenteils für ihre nationalen Armeen reserviert haben. Noch dazu ist die Winterkleidung angesichts der erforderlichen Energieeinsparungen nicht nur in Wohnungen, sondern auch in Kasernen ein begehrtes Gut auf dem Weltmarkt.

Derselbe Spiegel berichtete unter Berufung auf seine Quellen in der NATO, man werde "fast 50 Prozent der Anfrage decken können, was die Ukraine an Winteruniformen angefordert hat". Beispielsweise hatte Litauen versprochen, 25.000 ukrainische Soldaten mit Winteruniformen im Wert von zwei Millionen Euro auszustatten, schickte letztendlich aber nur 500 Sets. 

Im Winterkrieg gibt es neben wärmeisolierten Uniformen noch viele andere Nuancen, die speziell mit den Wetterbedingungen zusammenhängen. Dazu zählen zum Beispiel die sogenannten Heizstellen – Erdhütten, in den Boden eingegrabene Zelte oder Schlafkapseln. Ein Ofen ist unverzichtbar. Damit dürfte die AFU keine Probleme haben, denn im vergangenen November hatten zwei führende Werften in Nikolajew die Produktion von Erdhütten-Öfen aufgenommen. Ein solcher Ofen wiegt bei Verwendung von 15-Millimeter-Stahl eine Vierteltonne! Übrigens sind diese Art Öfen auch bei Datscha-Besitzern begehrt.

Eine weitere Besonderheit ist der Wintereinsatz der Bewaffnung. So seltsam es auch klingen mag, aber selbst bei bitterkalter Witterung benötigen Artilleriesysteme sowjetischer und später russischer Bauart im aktiven Betrieb keine spezielle Schmierung. Das Gleiche gilt für Kalaschnikow-Sturmgewehre – hier wird gewöhnliches Waffenöl verwendet.

"Wichtig ist, dass die Waffe sauber und frei von Schmutz ist. Noch in Tschetschenien kamen die Kämpfer auf die Idee, ein Kondom über den Lauf eines Maschinengewehrs zu ziehen … Die Marke Durex wurde bevorzugt. Dies ist kein Hindernis beim Schießen, schützt jedoch den Lauf vor Schmutz und Feuchtigkeit",

erzählt Wladimir Popow, Oberst der Reserve und Experte der Zeitschrift Material und technische Versorgung der Streitkräfte der Russischen Föderation.

Die US-M777-Haubitzen, die an die ukrainische Armee geliefert wurden, sind bislang nicht unter kalten Klimabedingungen eingesetzt worden. Die "Warmduscher" wurden in Afghanistan, im Irak und in Syrien gewälzt, nun sollen sie in der Ukraine auf ihre Frostfestigkeit getestet, nachdem sie zuvor durch den Schlamm der Feldwege gerollt waren. Das Abwischen der Optik einer solchen Haubitze mit einem Tuch von zweifelhafter Sauberkeit wird sehr problematisch sein.

Die ukrainischen Streitkräfte verfügen über achtjährige Erfahrung in Stellungskämpfen im Donbass, wo es keine besondere "Bewegung" gab. Sie feuerten, saßen in ihren Befestigungen und verbesserten so ihre Kampfkünste. Natürlich ist das auch eine reiche Kampferfahrung, unter anderem im Winter. Im Frühjahr und Sommer hat die ukrainische Armee aktiv manövriert, entweder durch Rückzug oder durch einen Gegenangriff. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Taktik auch in den kommenden Monaten fortgesetzt wird, und zwar unter völlig anderen Wetterbedingungen. 

Übrigens, das Wetter wird auf beiden Seiten der Front dasselbe sein, sowohl für die ukrainischen als auch für die russischen Soldaten. "General Moros" ist ein fairer Mann und behandelt beide Parteien gleich. 

"Ich kann nur eines sagen: Die Ratnik-Ausrüstung der russischen Soldaten hat wiederholte Tests unter den harten Bedingungen der Arktis erfolgreich bestanden",

sagt Oberst Popow und fährt fort:

"Sie hat die höchste Bewertungsstufe. Die russische Armee verfügt derzeit über etwa 400.000 solcher vollständigen Sets, jedes mit einem Gesamtgewicht von 22 Kilo. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Teil der mobilisierten Männer nun die bisherige Bekleidung erhält, die zusätzlich mit Ratnik-Elementen ergänzt ist. Die russischen Kampftruppen werden in den Steppen der Ukraine bestimmt nicht frieren müssen."

Übersetzt aus dem Russischen.

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