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Explosionen an Nord Stream-Pipelines: Hinweise deuten auf die USA

Es mehren sich Hinweise darauf, dass beide Nord Stream-Gasleitungen vorsätzlich gesprengt wurden. Eine ganze Reihe von indirekten Hinweisen deutet auf eine Beteiligung der US-Marine. Wie genau könnte die Diversion organisiert worden sein, und warum blieb der letzte Leitungsstrang von Nord Stream 2 unbeschädigt?
Explosionen an Nord Stream-Pipelines: Hinweise deuten auf die USAQuelle: AFP © Jonathan NACKSTRAND

Eine Analyse von Alexandr Timochin

Erstens ist davon auszugehen, dass die ukrainische Katastrophe sich nach dem Szenario einer US-amerikanischen Operation zur Unterdrückung der EU und der Beseitigung eines der größten zivilisatorischen Konkurrenten abspielt. Ein "Europa vom Atlantik bis zum Ural", das seinerzeit noch von de Gaulle vorgeschlagen wurde, wäre für die USA ganz und gar nicht wünschenswert. Als jüngstes Druckmittel haben die US-Strategen die Ukraine ausgewählt – eine "Brücke" zwischen Europa und Russland, die auch noch die für die EU so notwendige Energie in Form von Gas transportierte. Eine weitere Alternative wären Rohrleitungen durch Polen, was angesichts der Russophobie Warschaus überhaupt kein Problem wäre.

Direkt nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens begannen die USA, Geld in neue ukrainische Eliten zu investieren. Der Rückfluss dieser Investitionen begann im Jahr 2014, und man kommt nicht umhin, einzuräumen, dass die Unterbrechung des Handels zwischen Europa und Russland beiden Seiten Schaden zufügte. Doch das war noch kein Todesstoß für die Wirtschaft der EU. Als ein solcher erscheint die Sprengung der beiden Rohrleitungsstränge von Nord Stream und eines Leitungsstrangs von Nord Stream 2.

Bidens Drohungen und Untersee-Explosionen

Die Videoaufnahme von Joe Bidens Drohung gegen Nord Stream ist schnell gefunden. Während einer Erklärung nach einem Treffen mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beginn von Februar 2022 sagte der US-Präsident:

"Sollten russische Panzer und Streitkräfte die Grenze der Ukraine überqueren, wird es kein Nord Stream 2 geben, wir setzen dem ein Ende."

Auf die Frage einer Journalistin, wie das angestellt werden soll, antwortete Biden ohne Erklärungen: "Wir können das machen".

Am 14. Juni 2022 veröffentlichte die Zeitschrift Sea Power Magazine einen Artikel darüber, wie ein Minensuchtrupp der US-Marine die großflächige Anwendung von Untersee-Minenräumgeräten in der Nähe der dänischen Insel Bornholm und der Rohrleitungen übe. Dies geschah im Rahmen der Militärübung BALTOPS, die damals in der Nähe des Baltikums durchgeführt wurde.

Was ist so besonders daran? Die Tatsache, dass Minen heute mithilfe von autonomen Unterwasserfahrzeugen (AUVs), den Minenzerstörern, vernichtet werden. Ein solches Gerät trägt oft eine explosive Ladung in sich, die in unmittelbarer Nähe einer Mine gesprengt wird. Es gibt auch andere Geräte, darunter solche, die eine auswärtige Anbringung von Sprengladungen zulassen. Die hypothetische Explosion eines mit einem Timer versehenen AUVs, das zuvor an der Rohrleitung angebracht wurde, oder eine Sprengung von Ladungen, die von einem Mehrweg-AUV direkt auf das Rohr gelegt wurden, könnte eine Zerstörung der Rohrwand hervorrufen. Verstärkt würde die Zerstörung durch die Freisetzung des Überdrucks, unter dem sich das Gas in der Rohrleitung befindet.

Ein AUV kann allerdings nicht aus dem Blauen heraus erscheinen. Es muss zum Einsatzort gebracht und zum Ziel gesteuert werden. Es muss irgendeinen Flottenverband in der Nähe geben, Aufklärung und Versorgung sind notwendig.

Und einen Flottenverband hatten die USA in der Region in der Tat – seit dem Beginn der Militärübung BALTOPS-2022 und bis zum 23. September befand sich eine Gruppe US-amerikanischer Kriegsschiffe im Baltikum. Drei davon – das amphibische Angriffsschiff Kearsarge, ein Hubschrauberträger der San Antonio-Klasse und das alte amphibisches Transportdock Guston Hall passierten den Großen Belt und waren am 25. September schon im Ärmelkanal. Zuvor befand sich in der Gruppe auch der Zerstörer Gravely und etwas nördlich abseits der Gruppe der Zerstörer Arleigh Burke, das Leitschiff seiner Klasse.

Auf dem Letzteren ereignete sich ein außergewöhnlicher Vorfall – ein Matrose ist in der See verschollen, und die Suche nach ihm verlief ergebnislos. Das Baltikum holte sich David Spearman für immer, unter ungeklärten Bedingungen. Könnte es ein unglücklicher Tauchgang gewesen sein?

Doch das ist noch nicht das Interessanteste. Ab dem 2. September begannen MH-60S-Hubschrauber der US-Marine intensive Flüge über den beiden Rohrleitungen östlich von Bornholm. Aufnahmen davon finden sich im Netz. Die Frage, was die US-Amerikaner dort taten, bleibt offen. Die USA verfügt über AUVs, die von einem Hubschrauber aus gesteuert werden können, doch sie sind sehr klein. Andererseits wissen wir nur das, was sie selbst berichten. Sie könnten durchaus über ein größeres mit Sprengladung versehenes AUV verfügen, das von einem Hubschrauber abgeworfen und über ein Lichtfaserkabel oder eine schwimmfähige Antenne gesteuert werden könnte. Auch können die US-Amerikaner Boote, und zwar mit Besatzung, über Luft transportieren. Und von einem Boot aus stellt sowohl die Steuerung eines AUVs als auch ein Ablassen von Ladungen in die Tiefe, die dort zwischen 70 und 100 Meter beträgt, erst recht kein Problem dar. Die Hubschrauber flogen über den Rohrleitungen bis zum 13. September. Die US-amerikanische Kampfgruppe verließ das Gebiet, durch das die Rohrleitungen verlaufen, am Abend des 21. September.

Am 26. September um 02:30 nachts fixierten die schwedischen seismischen Messer eine starke Explosion. Zu diesem Zeitpunkt hatten die US-Schiffe das Baltikum bereits verlassen. Um 19:04 ereignete sich eine zweite Explosion, und etwas später begannen Berichte über Druckabfall in den Rohrleitungen zu erscheinen. Später kamen Meldungen über "beispiellose Zerstörungen" und die Verantwortlichen der Nord Stream AG erklärten, dass beide Leitungsstränge von Nord Stream und ein Leitungsstrang von Nord Stream 2 zerstört seien und ein Gastransport damit unmöglich sei.

Für die EU, besonders für Deutschland, ist es mindestens ein K.O.-Schlag. Auch Russland hat davon in wirtschaftlicher Hinsicht wenig Gutes. Doch diese Folgen sind nichts im Vergleich zu denjenigen, die hinter dem letzten unbeschädigten Leitungsstrang von Nord Stream 2 stehen können.

Provokationsszenario

Falls es die USA sind, warum handeln sie so dreist? Auf den ersten Blick erscheint es wie ihre bewährte Taktik, um europäische Staatschefs ständig zu Treueschwüren auf die berühmt-berüchtigte "transatlantische Solidarität" zu zwingen. Im Fall mit den Rohrleitungen muss es eine öffentliche und unanfechtbare Sicherheit sein, dass die Explosion das Werk der bösen Russen sei. Egal, was in Wirklichkeit passiert war.

Doch hier stechen die USA Deutschland einen Dolch in den Rücken. Was würde passieren, wenn ein Scholz, der gerade gesehen hatte, wie eine Kampfgruppe der US-Marine die Zukunft Deutschlands für immer zerstört, nicht mitspielen würde? Was wäre, wenn er als Reaktion durchdrehen würde und die Stellung der USA in Deutschland entgegen den Erwartungen geschwächt wäre? Schließlich steht ein Winter bevor! Und gerade hier müssen wir die wichtigste Frage in dieser Geschichte stellen. Wieso ließen die Täter den letzten Leitungsstrang von Nord Stream 2 unbeschädigt?

Möglicherweise dafür, damit man dort eine in Russland produzierte Sprengladung oder etwas Ähnliches findet? Irgendetwas, was russische Markierungen trägt oder russische oder sowjetische Bauteile hat. Als ginge die Sprengladung kaputt und wäre nicht explodiert. Wie würde die Bevölkerung Europas und der USA dann reagieren? Welche Maßnahmen müssten europäische Regierungen ergreifen, um den Zorn von Menschenmassen, die um ihre Zukunft gebracht wurden, zu stillen?

Das ist eine ernste Frage. Sollte eine solche Provokation tatsächlich stattgefunden haben, sind ihre Folgen unvorhersehbar. Großbritannien heizt die öffentliche Meinung bereits an: allein die Zeitung Telegraph veröffentlichte mehrere Artikel darüber, dass die Sprengung der Pipelines eine "russische Diversion" sei. Einer davon erschien mit den Worten "Europa verdächtigt Russland der Sabotage nach einer 'beispiellosen' Beschädigung der Nord Stream-Gasleitung".

Würde sich auch nur irgendetwas Russisches und Explosionsgefährliches auf dem letzten Leitungsstrang finden, wäre es Scholz schwergefallen, zu erklären, warum er der Ukraine keine deutschen Panzer übergeben wolle. Deutschland müsste Panzer, Schützenpanzer und überhaupt alles, was Washington fordert, abgeben. Zumal für die Gasversorgung Europas aus Russland keine anderen Rohrleitungen als die ukrainischen übriggeblieben sind. Und das würde nicht nur auf Scholz und Deutschland zutreffen.

Davor, dass Nord Stream zum Ziel eines Angriffs werden könnte, warnte die Zeitung Wsgljad bereits vor anderthalb Jahren. Heute ist es wichtig, nicht zuzulassen, dass der Westen diese Diversion Russland anlastet.

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Übersetzt aus dem Russischen

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