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Szenarien für den Leopard-Einsatz – Deutscher Brigadegeneral a. D. zeigt Grenzen auf

Es sind vorwiegend Militärs, die sich gegen weitere Waffenlieferungen aussprechen. Einer davon ist der ehemalige Brigadegeneral Helmut Ganser. Das Risiko der Eskalation sei zu groß, das Ziel zudem unklar formuliert, führt er an. Diplomatie ist gefragt.
Szenarien für den Leopard-Einsatz – Deutscher Brigadegeneral a. D. zeigt Grenzen aufQuelle: www.globallookpress.com © Ann-Marie Utz

Helmut Ganser ist Brigadegeneral a. D. Er war darüber hinaus unter anderem stellvertretender Leiter der Stabsabteilung Militärpolitik im Verteidigungsministerium sowie Militärberater der deutschen ständigen Vertretung bei der NATO in Brüssel. Er weiß, wovon er spricht, wenn er über Waffen und ihren Einsatz im Feld redet, denn es war sein Beruf. Seine Kompetenz unterscheidet ihn von vielen in den Medien und der Politik, die nach immer weiteren Waffenlieferungen rufen, sich aber über die Folgen nicht im Klaren sind. Das betrifft sowohl den Anspruch an die Ausbildung der Soldaten als auch die Folgen für den weiteren Verlauf des Konflikts.

Ganser entwarf in einem Beitrag für das ipg-Journal zwei Szenarien einer ukrainischen Offensive unter Einbeziehung deutscher Leopard-Panzer. Die erste scheitert früh. Die ukrainischen Militärs beherrschen die komplexen Anforderungen, die das neue Gerät an sie stellt, nur mangelhaft. Die unzureichende Zusammenarbeit im Verbund eröffnet Möglichkeiten für einen Gegenangriff.

Aus diesem Grund kommt die Offensive in Gansers erstem Planspiel zum Erliegen, nachdem sie lediglich dreißig Kilometer in von Russland beherrschtes Territorium vorgedrungen ist. Die Verluste sind auf beiden Seiten erheblich. Bilder von zerschossenen Leopard-Panzern kursieren in den sozialen Netzwerken.

Aufgrund der hohen Verluste beginnt in der Ukraine eine Diskussion über den Sinn des Krieges. Immer mehr Familien haben tote Familienmitglieder zu beklagen. Gleichzeitig ist die Verteidigungsfähigkeit der NATO-Länder durch die Unterstützung der Ukraine geschwächt. Russland hält nach der gescheiterten Offensive noch immer zehn bis zwölf Prozent der Landmasse auf dem Gebiet, das die Ukraine als ihr Hoheitsgebiet beansprucht. Die Offensive ist gescheitert.

In einem zweiten Szenario ging Ganser von einem erfolgreichen Vorstoß des ukrainischen Militärs aus. Es kann bis zum Asowschen Meer durchstoßen und steht schließlich gegenüber der Krim. Die Versorgung der Krim wird unterbrochen.

Russland antwortet darauf mit massiven Angriffen auf Kiew und macht deutlich, dass es diejenigen Länder, die der Ukraine Waffen geliefert haben, als Kriegsteilnehmer sieht. Der Krieg bedrohe Russland jetzt existenziell, merkt Ganser an. Damit ist nach russischer Militärdoktrin der Einsatz von Nuklearwaffen legitim.

Russland versetzt seine nuklearen Raketentruppen in Gefechtsbereitschaft und fordert die unmittelbare Aufhebung der Blockade der Krim – sollte dies nicht geschehen, würden taktische Atomwaffen eingesetzt. Zeitgleich startet China das bisher größte Manöver in der Straße von Taiwan. Die Welt steht am Abgrund. Die Offensive war erfolgreich, das Ergebnis ist jedoch alles andere als ein gewünschtes. 

In beiden Fällen ist der Einsatz der Leopard-2-Panzer nicht sinnvoll, im zweiten Szenario führt er gar in die Katastrophe. Ganser vergegenwärtigt, dass sich auch positivere Szenarien entwickeln lassen. Russland könnte etwa die Rückeroberung der Krim einfach hinnehmen, erklärte er. Aber die Gefahr, langsam in eine Katastrophe hineinzugleiten, wächst mit weiteren Waffenlieferungen und wird wahrscheinlicher.

Insbesondere mit dem zweiten Szenario stützt Ganser die Aussagen derjenigen, die auf die Eskalationsfähigkeit Russlands verweisen. Ein konventioneller Krieg kann gegen eine Atommacht nicht gewonnen werden, ist eine der in diesem Zusammenhang angeführten Thesen. Ganser weist zudem auf die Unberechenbarkeit der Entwicklungen hin. Krieg entfalte eine eigene Dynamik, die nur schwer vorherzusehen sei, meint Ganser.

Den Befürwortern von immer weitergehenden Waffenlieferungen erteilt Ganser damit eine deutliche Absage. Das Risiko einer unkontrollierten Eskalation ist zu groß. Es bedarf einer konkreten Benennung der Ziele und der Überlegung, wie diese zu erreichen seien. Mit großer Sicherheit führt der Weg dorthin nicht übers Schlachtfeld, sondern an den Verhandlungstisch.

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