Lateinamerika

Spannung vor schicksalhafter Präsidentschaftswahl in Chile

Am heutigen Sonntag findet in Chile die Präsidentschaftswahl statt. Die Wähler müssen sich zwischen einem Kandidaten der Rechten und einem Kandidaten der Linken entscheiden. Obwohl beide Kandidaten sich gemäßigt geben, ist das Land polarisiert und die Nerven liegen blank: Der Ausgang der Richtungswahl ist noch völlig offen.
Spannung vor schicksalhafter Präsidentschaftswahl in ChileQuelle: AFP © Mauro Pimentel

In Chile findet am Sonntag der zweite Wahlgang der Präsidentschaftswahl statt – eine Stichwahl zwischen einem linken und einem ultrarechten Kandidaten. Aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahl gingen der Kandidat der konservativen und nationalistischen Republikanischen Partei José Antonio Kast als Erstplatzierter (27,91 Prozent) und der Linke Gabriel Boric als Zweitplatzierter hervor (25,82 Prozent). Umfragen sehen beide Kandidaten derzeit mit jeweils 50 Prozent gleichauf. 

Kast ist der jüngste Sohn eines Oberleutnants der Wehrmacht und NSDAP-Mitglieds, der nach 1945 zunächst unbehelligt in Bayern gelebt hatte, aber unter dem Entnazifierungsdruck dazu überging, eine falsche Identität zu nutzen. 1947 floh er mutmaßlich mit Unterstützung des Vatikans zunächst nach Argentinien und siedelte 1950 nach Chile über, wo er mit Produktion bayerischer Würstchen zu Vermögen gelangte. Erst vor wenigen Wochen wurde seine Mitgliedschaft in der NSDAP durch einen im Bundesarchiv aufgefundenen Mitgliedsausweis bewiesen. 

Der jetzt 55-jährige Präsidentschaftskandidat studierte Jura und war lange Jahre Mitglied der rechtskonservativen Unabhängigen Demokratischen Union (UDI) gewesen, die er von 2002 bis 2018 im chilenischen Parlament, der Abgeordnetenkammer, vertreten hatte. 2016 hatte er die UDI und verlassen 2017 als Unabhängiger erstmals für das Präsidentenamt kandidiert. Damals war es ihm mit 7,93 Prozent nur gelungen, den vierten Platz einzunehmen. Der diesjährige Wahlkampf hingegen brachte ihn in Reichweite der Macht.

Das politische Programm von Kast und seiner 2019 gegründeten Republikanischen Partei wird als rechtspopulistisch, wertkonservativ und nationalistisch umschrieben. Sie will illegale Migration stärker bekämpfen und hierzu auch einen Grenzzaun an der Grenze zu Bolivien errichten. Kast selbst ist bekennender Anhänger Pinochets, bestreitet aber seine Zuordnung zur extremen Rechten. Seine Wahlkampfstrategie wird von Beobachtern als "Kampagne der Angst" bezeichnet, Anleihen bezieht Kast auch bei Donald Trump.

Sein Widersacher Boric ist erst 35 Jahre alt und seit 2014 unabhängiges Mitglied der Abgeordnetenkammer. Er wird von der Frente Amplio, einer Koalition linksgerichteter Parteien, sowie der sozialdemokratischen Convergencia Social, deren offizieller Kandidat er ist, und der Kommunistischen Partei Chiles unterstützt. Er setzt sich für die Vergesellschaftung von Produktionsstätten und die Stärkung sozialer Rechte und der Rechte von Minderheiten ein.

Das Ergebnis der ersten Wahlrunde war ein Schock für die politische Linke in Chile. Seit dem Ende der Pinochet-Diktatur im Jahr 1990 hat bislang stets derjenige Kandidat die Stichwahl gewonnen, der aus dem ersten Wahlgang erstplatziert hervorging. Boric versucht, sich zunehmend als Konsenskandidat und "Versöhner der Nation" zu etablieren, und büßt nach Auffassung von Politikwissenschaftlern dadurch den Enthusiasmus seiner radikaleren Anhänger ein. Erste Ergebnisse liegen von der Abstimmung der Auslandschilenen in Neuseeland vor:

Die letzte Phase des Wahlkampfs war von Protesten gegen Kast und Zusammenstößen zwischen den Protestierenden und der Polizei begleitet. Seit dem Ende der Militärdiktatur wird Chile abwechselnd von sozialistischen und konservativen Präsidenten regiert. Der derzeit amtierende Konservative Sebastián Piñera konnte nicht wieder antreten, da er seine zweite Amtszeit zu beenden im Begriff ist.

Seit 2019 wird Chile wiederholt von sozialen Protesten und Unruhen erschüttert.

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