Meinung

Irrtum deutscher Politiker: Ein Sieg der Ukraine ist keine Option

Die deutsche und europäische Politik erwarten einen militärischen Sieg der Ukraine. Bei genauerer Betrachtung ist aber genau das ausgeschlossen. Es braucht nicht mehr Waffen, sondern Politiker mit geopolitischem Sachverstand. Diese sucht man in Deutschland und der EU allerdings vergeblich.
Irrtum deutscher Politiker: Ein Sieg der Ukraine ist keine OptionQuelle: www.globallookpress.com © www.imago-images.de

Von Gert Ewen Ungar

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann möchte "vor die Welle kommen" und der Ukraine schweres Gerät präventiv liefern. Das sagte die Waffenlobbyistin in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das mag der Rüstungsindustrie dienlich sein, für Europa und Deutschland ist die Idee verheerend. 

Strack-Zimmermann ist sicherlich eine gute Rüstungslobbyistin, ihre Vorschläge sind allerdings für Europa gefährlich. Ihre Blauäugigkeit hinsichtlich der geopolitischen Konsequenzen zeugen von tiefer Ahnungslosigkeit und strategischer Inkompetenz. Wenn man ihre Vorschläge weiterdenkt, dann führen sie mit absoluter Treffsicherheit zu einer immer weitergehenden Eskalation hin zum Nuklearkrieg. Strack-Zimmermann ist mit ihrer mangelnden Weitsicht gefährlich für Deutschland und Europa. Aber nicht nur Sie.

Aktuell kritisiert Strack-Zimmermann das Kanzleramt. Das übernimmt ihrer Meinung nach russische Narrative, wenn es davon spricht, dass mit Panzerlieferungen eine rote Linie überschritten sei und damit Deutschland zur Kriegspartei würde. Das Kanzleramt hat damit allerdings recht. 

Mit ihren Defiziten, in geopolitischen Zusammenhängen zu denken, ist Strack-Zimmermann nicht allein. Für Deutschlands Chefdiplomatin Annalena Baerbock ist dies ebenso ein Buch mit sieben Siegeln. Auch sie plädiert für Waffenlieferungen und Unterstützung bis zum Sieg der Ukraine über Russland.

Ebenso glaubt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der Zeitpunkt für Verhandlungen sei noch nicht gekommen. Der Nachrichtensender ntv zitierte Kühnert mit den Worten:

"'Der Moment, in dem die Ukraine ihren Frieden aushandeln wird, der wird kommen', sagte Kühnert im ZDF-Morgenmagazin. 'Aber der hat Voraussetzungen, nämlich die territoriale Integrität dieses Landes und dass Russland klar wird, dass es seine Kriegsziele nicht erreichen kann.'"

Damit gab Kühnert die Position zahlreicher deutscher und europäischer Politiker wieder. Auch EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen glaubt, dass Verhandlungen erst dann sinnvoll seien, wenn Russland den Konflikt militärisch faktisch verloren hat. Neben Kühnert, Baerbock, Strack-Zimmermann schließen sich viele deutsche und europäische Politiker dieser Position an. Genau das aber wird nicht passieren. 

Der Beitrag auf ntv suggeriert zudem, dass Deutschland oder die EU bei Verhandlungen mit am Tisch sitzen würden. Auch das wird nicht passieren. Es ist nach den vergangenen neun Jahren nur schwer vorstellbar. Deutschland hatte mit seiner Beteiligung an den Verhandlungen zu Minsk 2 und seiner Rolle als Garantiemacht seine Chance, den Frieden in Europa zu bewahren. Deutschland hat sie nicht genutzt.

Die ehemalige Bundeskanzlerin und damalige Unterhändlerin in Minsk, Angela Merkel, gab zu, dass es bei Minsk 2 nur darum ging, der Ukraine Zeit zur Aufrüstung zu verschaffen. An einer friedlichen Lösung unter Wahrung der territorialen Integrität der Ukraine bestand von westlicher Seite kein Interesse.

Man kann sich sicher sein, dass damit die Möglichkeit, an der künftigen Gestaltung Europas teilzuhaben, verspielt wurde. Der Konflikt wird in Verhandlungen zwischen den USA und Russland beendet und die Ukraine wird eine Chance zur Gesichtswahrung bekommen. Die EU und die EU-Länder wurden auf dem diplomatischen Schachbrett längst an die Seite gestellt. Man hat es anscheinend in den entsprechenden Kreisen noch gar nicht gemerkt. 

Im Verlauf des Konflikts wurde zudem immer klarer, dass Deutschland und die EU in diesem Konflikt ohnehin nichts zu sagen haben, denn weder die EU noch Deutschland sind in der Lage, für Europa sinnvolle, erfüllbare strategische Ziele zu formulieren. Sie sind nicht in der Lage, eine für Europa als Ganzes dienliche Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung Russlands zu skizzieren. Weder Strack-Zimmermann noch eine andere Person derer, die ihre Position teilen, sehen, wohin die Forderung nach einer militärischen Niederlage Russlands als Vorbedingung für die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine führen wird. Sie führt in die vollständige Vernichtung Europas.

Russland wird diesen Krieg nicht verlieren. Es steht zu viel auf dem Spiel – für Russland und die Welt. Der Konflikt in der Ukraine hat sich inzwischen auch durch die Unfähigkeit der EU, eine eigenständige Position zu formulieren, grundlegend gewandelt und ist zu mehr als einem bloßen Stellvertreterkrieg geworden. In der Ukraine kämpft der Westen unter der Leitung der USA um sein Überleben als Hegemon.

Gleichzeitig ist den Ländern außerhalb des kollektiven Westens klar, dass in der Ukraine ein Kampf auch um ihre Zukunft ausgetragen wird – ihre Souveränität, ihre kulturelle Identität und Eigenständigkeit, ihre Entwicklungsfähigkeit. Es entsteht eine neue Weltordnung und der Westen kämpft gegen sie an, weil er in ihr seine Dominanz und Vormachtstellung verliert. 

Zudem zeigt der bisherige Verlauf des Konflikts deutlich, dass Russlands Sorge vor einem aggressiven Westen mehr als berechtigt war. Das Sanktionsregime und die Verweigerung von Gesprächen zeigt, dass Russlands Deutung des Westens als aggressiv und feindlich richtig ist.

In einem Meinungsbeitrag hatte der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger indirekt zugegeben, dass Russland Befürchtungen vor einer Teilung und Zerschlagung des Landes nicht unbegründet waren. Russland wird daher alles daran setzen, diesen Konflikt nicht zu verlieren.

Verliert Russland den Konflikt, dann droht die westliche Hegemonie für weitere Dekaden erhalten zu bleiben und Russland läuft Gefahr, erneut in den Status einer Kolonie herabgedrückt zu werden. Das ist weder im Interesse der Mehrheit der weltweiten Länder noch in Russlands. Ebendarum schließen sich die Länder außerhalb des kollektiven Westens immer enger zusammen und suchen nach Möglichkeiten, das Sanktionsregime des Westens, so gut es geht, zu umgehen. Sie bauen Strukturen, Organisationen und Institutionen auf, die sich der westlichen Kontrolle entziehen, gleichzeitig aber eine Zusammenarbeit auf Grundlage der UN-Charta ermöglichen.

An einem Sieg des Westens in der Ukraine ist außerhalb der westlichen Hemisphäre niemandem gelegen. Deswegen wird der Konflikt im schlimmsten Fall bis zu Zerstörung Europas geführt. Ein Sieg, so wie ihn sich das politische Personal in Berlin und Brüssel vorstellt, steht nicht zur Debatte. Die in diesen Reihen vorherrschende geopolitische Naivität ist gefährlich und zum Nachteil für Europa und das Wohl aller Europäer. 

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