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"Westen endlich in Schranken weisen": Russische Expertin zum 11. antirussischen EU-Sanktionspaket

Der Sanktionskrieg gegen Russland weitet sich immer mehr auf Drittländer aus. Ziel der nächsten Angriffe aus Brüssel könnten nun zentralasiatische Länder werden, die mit Russland Handel treiben. Einige Experten rufen die russische Regierung dazu auf, die bisherige Abwehrstrategie aufzugeben.
"Westen endlich in Schranken weisen": Russische Expertin zum 11. antirussischen EU-SanktionspaketQuelle: Sputnik © Wladimir Trefilow

Die Europäische Kommission gibt es selbst gerne zu: Die Sanktionen gegen Russland seien die härtesten, die je durch die Europäische Union verhängt wurden. Da Russland sie aber bislang erfolgreich überstanden hat, geraten immer mehr Drittländer ins Visier der Brüsseler Sanktionskrieger.

Bereits im zehnten Sanktionspaket, das am 15. Februar beschlossen worden war, waren beispielsweise Sanktionen gegen sieben iranische Unternehmen verhängt worden. In einer Presseerklärung dazu betonte die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen:

"Wir sind bereit, dieses Embargo auf weitere Unternehmen im Iran und in anderen Drittstaaten auszuweiten, die Russland mit sensiblen Gütern beliefern. Damit wollen wir andere Unternehmen und internationale Händler abschrecken."

Dieses "Abschreckungsszenario" für Drittländer wird nun zum Gegenstand des nächsten, elften Sanktionspakets. Am Donnerstagabend ließ von der Leyen zu Sinn und Zweck der nächsten Sanktionswelle wissen:

"Das elfte Sanktionspaket wird hauptsächlich darauf abzielen, die Umgehung von Beschränkungen zu bekämpfen und Schlupflöcher zu schließen."

In Vorbereitung ist nun ein entsprechendes EU-Dokument, dem zufolge vor allem Russlands zentralasiatische Nachbarn wie Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan als Zulieferer von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck bestraft werden können, wie etwa Waschmaschinen, Gebrauchtwagen und Kameras. Die EU plane zunächst, die entsprechenden Staaten zu warnen, könnte aber auch Handelseinschränkungen gegen sie verhängen.

Aggressivere Gegenmaßnahmen

Russische Experten nehmen die Gefahr der Sanktionsausweitung auf Nachbarn und Partner durchaus ernst. "Im Kampf gegen westliche Sanktionen ist es für Russland an der Zeit, aus der blinden Defensive herauszukommen", schrieb die Direktorin des Instituts für internationale politische und wirtschaftliche Strategien Jelena Panina auf ihrem Telegram-Kanal.

Trotz des bereits eingesetzten Hegemonieverlusts sei der Westen immer noch stark und versuche, auch russische OVKS-Verbündete, EAWU-Mitglieder und andere russische Partner zu beeinflussen – laut Panina nicht ohne Erfolg. Beispiele dafür seien das vorübergehende Scheitern der Zollabfertigung russischer Waren in der Türkei oder die (noch zu überprüfenden) Informationen über die mögliche Blockierung von Waren nach Russland durch Parallelimporte Kasachstans seit dem 1. April.

"Es ist das Ergebnis einer zielgerichteten Arbeit westlicher Strukturen."

Die Analystin räumt ein, dass die Sanktionen die Entwicklung der Binnenproduktion in Russland fördern, warnt aber davor, dass der Bereich der russischen außenwirtschaftlichen Tätigkeit immer mehr eingeengt werde. Das Ziel des Westens sei, Russland damit zu einem drittklassigen Land ohne internationalen Einfluss zu machen. Panina schlägt deshalb aggressivere Abwehrmaßnahmen vor.

"Und wenn Russland nur aus der Verteidigung heraus handelt, wie es jetzt der Fall ist, wird sich die Schlinge der Sanktionen immer enger zuziehen. Und die 'Schlupflöcher', wie es die EU-Kommissionspräsidentin ausdrückt, werden geschlossen werden."

Es sei an der Zeit, dass Russland zu einer Strategie der wirtschaftlichen Vergeltung übergeht, um den Westen in die Schranken zu weisen und ihn dazu zu bringen, russische Interessen zu respektieren.

"Dabei kann das Arsenal der Mittel recht vielfältig sein. Indem sie Nord Stream untergraben haben, haben die USA und ihre Verbündeten selbst die Büchse der Pandora geöffnet."

Als Expertin hat die 74-Jährige einen erheblichen Einfluss. Ihr Telegram-Kanal hat 63.000 Abonnenten – viele für eine Ressource mit rein analytischer Ausrichtung. Bis zum Jahr 2021 war sie 24 Jahre Abgeordnete der russischen Staatsduma für die Regierungspartei "Einiges Russland" und nahm zusammen mit dem Moskauer Bürgermeister Sergei Sobjanin an politischen Kampagnen teil. Außerdem leitet die Wirtschaftswissenschaftlerin seit 30 Jahren die Moskauer Industriellen- und Unternehmervereinigung. Mit ihrer Forderung nach einer härteren Gangart gegen den Westen ist sie nicht allein. Viele kritisieren Moskau für sein Beharren auf konventionelle, "saubere" Formen des Verhaltens gegenüber dem Westen. Dies ist allerdings nur eine der Optionen, die im Kreml immer auf dem Tisch liegen.

Antiwestliche Koalition

Offenbar setzt sich bislang in Moskau die sanftere Strategie durch, zusammen mit China und anderen asiatischen Regionalmächten wie Iran oder Indien einen gesamtasiatischen Wirtschaftsraum (Große Eurasische Partnerschaft) auszubauen, wobei alle Handlungen im legalen Rahmen stattfinden müssten. Einer der Vordenker dieser Strategie ist das Mitglied der russischen Akademie der Wissenschaften Sergei Glasjew.

In einem seiner jüngsten Interviews erinnerte er daran, dass er noch im Jahre 2014 in seinem Buch "Der letzte Weltkrieg. Die USA verlieren" den Niedergang der USA als Welthegemon innerhalb von zehn Jahren prophezeit hatte. Aber auch er kritisiert, dass eine russische Reaktion auf Aggressionen des Westens zu spät und nicht umfassend genug komme. Das Schmieden einer Antikriegskoalition gegen westliche Hegemonialansprüche hätte viel früher einsetzen müssen. Auf die Frage, ob die USA und die EU sich einem Wirtschaftsbündnis eurasischer Mächte widersetzen würden, erwiderte er:

"Der Widerstand ist bereits in vollem Gange. Wir hätten schon vor langer Zeit eine Antikriegskoalition bilden können, die den Druck des Westens ausgeglichen hätte, wenn wir rechtzeitig auf die wissenschaftlich fundierten Vorhersagen eines Weltkriegs geachtet hätten."

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